Fantasy Filmfest 2015 – Fantasy Filmfest 2015 – Tag #2

Das deutlichste Zeichen dafür, dass das Fantasy Filmfest 2015 begonnen hat? Als ich heute Morgen Kaffee machte, um mich danach an diesen Text zu setzen, vergaß ich, den Deckel des Wasserfachs der Kaffeemaschine zu schließen, wodurch der Kaffee jetzt aus recht wenig Wasser besteht. Wenn man bedenkt, dass mir das nach gerade einmal zwei Filmen passiert, bin ich doch recht zuversichtlich, dass hier in den noch verbleibenden Festivaltagen so einiges schief laufen wird.

Was dagegen nicht schief lief, war ich auf dem Weg zum Kino. Strammen Schrittes betrat ich nach Fertigstellung des gestrigen Textes die U-Bahn und dachte bereits darüber nach, womit ich die ersten zwei Seiten dieses Textes füllen könnte. Ganz bestimmt nicht mit Gerede über das Festival. Es handelte sich hier schließlich um eine Einleitung. Und die müssen das eigentliche Thema eines Textes grundsätzlich so weit verfehlen wie möglich. Das dachte ich damals. Mittlerweile halte ich das aber für ziemlich aufgesetzt und unnötig. Lasst uns doch lieber über Statistiken reden.

Es hat sich mittlerweile durchgesetzt, sich irgendwelche Themen für Statistiken während des Festivals auszudenken, über die man dann Strichlisten führen kann. Die “Der Hund stirbt”-Statistik gehört hier zu meinen Lieblingen, da ich es in Filmen immer angenehm unterhaltsam finde, wenn ein Hund stirbt. Auch ganz gut ist die “Abgerissener Fingernagel”-Statistik, die während eines bestimmten Jahres (welches, weiß ich leider nicht mehr) tatsächlich eine beeindruckend hohe Zahl aufwies. Statistiken dieser Art helfen einem hin und wieder dabei, in einen langweiligen Film ein wenig Spannung reinzubringen. “Gott, ist das langweilig, aber hey, vielleicht stirbt ja der Hund der Familie! Ist das spannend! Stirb! Stiiiiirb!”

Auf die geführten Statistiken werde ich, wenn ich dran denke, immer am Ende meiner Texte zu sprechen kommen, da sie selbstverständlich als Spoiler angesehen werden können. Ich verrate schließlich etwas, und darauf reagieren manche Menschen bekanntlich überaus empfindlich. Also keine Sorge: Im weiteren Verlauf werdet ihr nicht erfahren, ob Hunde sterben oder Fingernagel abgerissen werden. Außer ich halte es an der einen oder anderen Stelle für angebracht. Dann müsst ihr wohl damit leben, dass ich euch einen ganzen Film zerstört habe.

Mit diesen optimistischen Worten beginne ich nun mit dem Gerede über die Festivalfilme. Fünf Stück wurden gesehen.

Film 3 – Momentum

Fantasy Filmfest 2015 - Fantasy Filmfest 2015 - Tag #2

Zu Beginn sind wir Zeugen eines Banküberfalls. Menschen in merkwürdigen Anzügen, die an die Videospielreihe “Crysis” erinnern, halten Bankbesucer gefangen und versuchen, ein paar Diamanten an sich zu reißen. Während die Geiseln um ihr Leben bangten (oder bankten, weil es ja in einer Bank spielt und ich lustig bin), musste ich mich unglaublich zusammenreißen. Mehrmals hätte ich beinahe laut losgelacht. Einmal musste ich mir tatsächlich den Mund zuhalten. Die Bankräuberinnen und -räuber nutzen Stimmenverzerrer, damit niemand in der Bank ihre Stimmen erkennen konnte. In den ersten Sekunden verstand ich deswegen kein Wort. Meine Ohren mussten sich erst einmal an diese merkwürdigen und unverständlichen Klänge gewöhnen. Musste ich deswegen lachen? Nein! Der Gedanke “Alle, die sich über Bane in “The Dark Knight rises” aufgeregt haben, bekommen gerade vermutlich einen Herzinfarkt” war noch nicht das Lustige. Viel lustiger war, dass ich vor etwas weniger als einem Monat Geburtstag hatte und mir meine Frau einen Stimmenverzerrer geschenkt hat. Einen Stimmenverzerrer in Form eines lilafarbenen Megaphons. Dieses Megaphon erzeugte die gleichen unverständlichen Klänge. Und irgendwie musste ich die ganze Zeit daran denken, wie eine Holde bulliger Räuberinnen und Räuber sich Spielzeugmegaphone an den Mund hält, sich anbrüllt, sich nicht versteht und ach, ich weiß ja auch nicht. Muss man dabei gewesen sein.

Nach dem Bankraub stellte sich dann übrigens heraus, dass der Beraubte seine Diamanten gerne wieder hätte. Und er ein nicht gerade unbedeutendes Amt bekleidet. Und Morgan Freeman ist. Die Protagonistin des Films ist eine der Bankräber, die zwar von einer Gruppe Killer gejagt wird, sich aber zu verteidigen weiß. Irgendwas mit Ex-Militär. Man kennt das.

Als “Momentum” zu Ende war und ich den Kinosaal verließ, durfte ich Teilen einer neben mir geführten Unterhaltung lauschen, in der sich jemand darüber aufregte, dass er keinen Film der “fucking Neunziger” erwartet hätte. Sind das also die Kritikpunkte, an denen Filme heutzutage gemessen werden? Der Film ist wie ein Film aus den Neunzigern. Warum? Weil er Action ganz ohne übertriebene Superzeitlupen zeigt? Weil die Menschen nicht an Seilen hängen und durch die Gegend springen wie Flummis, die an Seilen hängen und durch die Gegen springen? Weil man auf 10-minütige Kampfchoreographien verzichtet, die mit ein bisschen weniger Gewalt und Blut auch in “Dirty Dancing” hätten vorkommen können? Moment. “Dirty Dancing” ist eigentlich ein ziemlich guter Titel für einen schmutzigen Actionfilm voller Kampfchoreographien. Wie auch immer. Ich musste über das “fucking Neunziger” schmunzeln und an all die guten Actionfilme der “fucking Neunziger” denken. Vor einiger Zeit sah ich übrigens “Terminator” im Kino. Der Film war noch älter!

Naja. Während ich mich jetzt mit meiner Vergangenheitsbewältigung beschäftige und endlich versuche, mit der Zeit zu gehen, – also alles schlecht zu finden, was aus den “fucking Neunzigern” ist – kann ich nur noch sagen, dass ich “Momentum” ganz unterhaltsam fand. Die Action war gut, das Tempo war gut. Die eine oder andere Entscheidung einiger Personen möchte ich jedoch anzweifeln. Dass man sich mit einem Stuhl vor einen Aufzug setzt, mit dem schon bald ein paar Verbrecher zu einem gefahren kommen, halte ich für absolut bescheuert. Auch mit Schrotflinte und den Worten “Es ist der einzige Weg rein.” ist das keine gute Idee. Man wirkt dadurch nicht cool. Ganz besonders blöd wirkt man, wenn die Bösen dann am Ende doch über die Treppe neben dem Aufzug die Wohnung betreten.

Wie auch immer. Das Tempo war… ach nein. Ich nehme alles zurück. Da gab es ja an einer Stelle diese Rede. Kennt ihr das Klischee vom Oberbösewicht, der im Triumph des anstehenden Sieges plötzlich eine lange Rede hält, in der er der gefangenen Heldin erzählt, was er über sie weiß? Und warum er böse ist? Und wie viel gerade Bio-Energy-Drinks im “tegut” kosten? Ich glaube, dass ich während “Mementum” Zeuge der wohl längsten Rede dieser Art geworden bin. Was der Oberböse Anführer da so alles von sich gegeben hat, war beeindruckend. Und langweilig. Irgendwann schaute ich tatsächlich auf die Uhr, um sicher zu gehen, dass der Film nicht noch eine Stunde dauerte. Ich hatte Angst, hier nie wieder raus zu kommen. Die Rede raubte der gesamten Szene jedwede Form der Spannung oder Dramatik.

Davon abgesehen: Ganz gut.

Film 4 – The pack

Fantasy Filmfest 2015 - Fantasy Filmfest 2015 - Tag #2

Ein Rudel voller durchgeknallter Hunde rennt durch einen Wald und erkennt, dass man auch von Menschenfleisch gut leben kann. Die Menschen wiederum finden das nicht so gut und versuchen nun, sich zu verteidigen. Mit Erfolg? Das müsst ihr schon selbst herausfinden.

Nun. Nach dieser Beschreibung freut ihr euch doch schon bestimmt auf die Hundestatistik, oder? Tja. Die gibt es aber erst am Ende. Das stellt mich vor ein Problem, denn ich weiß irgendwie gar nicht so genau, was ich zu diesem Film sagen soll. Eigentlich ist ja alles klar. Hunde drehen durch. Vater, Mutter, Kind 1 und Kind 2 fühlen sich durch dieses aggressive Verhalten der Tiere gestört und verteidigen sich. Eigentlich war die Familie gerade dabei, einen angenehmen Familienstreit auszutragen, weil die Eltern kein Geld mehr haben, um das Grundstück zu bezahlen, die ältere Tochter aber endlich in “die Stadt” fahren will, weil alle anderen auch da sind, während der junge Sohn jedoch – ganz der Vater – nicht von zu Hause weg will, weil er sich dort einen merkwürdigen Tunnel aus Müll errichtet hat, der am Ende des Films selbstverständlich unbedingt noch einmal genutzt werden musste, um eine klaustrophobische Atmosphäre wie in “Alien” aufzubauen. Übrigens sehen wir zu Beginn des Films (geschätzt um Minute drei herum), dass der Sohn seinem Vater zwei Gewehrpatronen geklaut und in besagtem Tunnel in einer kleinen Kiste versteckt hat. Sofort wandte sich meine Frau an mich und flüsterte mir zu: “Das wird bestimmt nicht wichtig sein für den weiteren Verlauf des Films”. Ich grinste breit und nickte. Hatte sie recht? Ich will ja nicht zu viel verraten.

“The pack” ist wohl der Film der merkwürdigen Entscheidungen. Ein Killerhund schafft es ins Haus und wandert durch die obere Etage. Was macht man? Genau: Man wartet, bis er irgendein Zimmer betreten hat, und sperrt ihn dort ein. Ein weiterer Killerhund läuft durch den Keller. Was tun? Die Kellertür schließen? Nein. Man geht mit einem Messer in der Hand in den Keller und beobachtet den Hund, bis dieser den Keller verlässt und die sich in der oberen Etage versteckenden Kinder angreifen kann.

Es gibt in Filmen dumme Entscheidungen, mit denen ich mich anfreunden kann. Ich glaube nicht, dass sich jeder Mensch in Extremsituationen, in denen es um das eigene Leben geht, stets logisch verhält. Als Kinobesucher hat man da immer leicht reden. Dies versuche ich, mir so oft wie möglich ins Gedächtnis zu rufen. Sich als superintelligenter Überlebenskünstler darzustellen ist zwar leicht, aber hin und wieder auch übertrieben. Bei “The pack” muss man jedoch diverse Fragen stellen. Diese hier zu stellen, würde den Film jedoch kaputt machen, da ihn dann niemand mehr sehen muss.

Insgesamt war der Film trotzdem unterhaltsam. Die Hunde gefielen mir gut, es gab spannende Szenen und gelangweilt habe ich mich nie. Dennoch war das kein befriedigendes Kinoerlebnis. Man kann sich “The pack” ruhig einmal ansehen, wenn man auf Tierhorror steht. Als Zeitverschwendung würde ich ihn nicht bezeichnen. Aber ein Oberhammer war er auch nicht. Wenn ihr ihn gesehen habt, können wir uns mal über das lustige Ende unterhalten.

Film 5 – The world of Kanako

Fantasy Filmfest 2015 - Fantasy Filmfest 2015 - Tag #2

Puh, wenn man, bevor man über einen Film schreiben kann, erst einmal auf die Toilette gehen will, um darüber nachzudenken, dann steht fest, dass man keinen einfachen Film gesehen hat. Dabei klingt die Beschreibung doch zunächst so simpel. Ein ehemaliger Polizist begibt sich auf die Suche nach seiner verschwundenen Tochter. Vielmehr sollte man an dieser Stelle auch gar nicht verraten. Das, was “The world of Kanako” auszeichnet, ist die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird. Wirkt der Polizist anfangs noch leicht tollpatschig und lustig verpeilt, lernt man im Laufe des Films immer mehr über ihn und seine Tochter. Nach zwei Stunden ergibt sich ein verstörendes Bild voller Gewalt, Verrat und Lügen.

“The world of Kanako” war etwas Besonderes. Die Erzählweise lässt keine ruhige Minute aufkommen, manche Charaktere wirken wie aus einem Comic und irgendwie zeichnet es einen Film doch aus, wenn man nicht zu viel sagen möchte, um dem Zuschauer das Filmerlebnis nicht zu vermiesen. Leute mit schwachen Nerven sollten einen Bogen um “The world of Kanako”. Alle anderen sollten einen Blick riskieren und sich auf diese Achterbahnfahrt der Gefühle… ha ha ha! Diese Formulierung habe ich glaube ich noch nie benutzt! Aber ich wollte es schon immer mal machen. Damit kann ich das auch endlich abhaken. Ich hoffe, es hat euch gefallen. So sehr wie mir “The world of Kanako” gefallen hat.

Film 6 – Maggie

Fantasy Filmfest 2015 - Fantasy Filmfest 2015 - Tag #2

Der arme, arme Arnold Schwarzenegger. Ich bin wirklich froh, dass “Maggie” bereits am zweiten Festivaltag lief, dadurch bleiben mir weitere Sprüche wie “Ist doch schön, dass Arnie auf seine alten Tage noch zum Schauspieler wird” hoffentlich erspart. Zu viele musste ich bereits ertragen. Fühlt sich das eigentlich originell an, einen solchen Spruch auf die Menschen loszulassen? Vor allem, wenn man ihn wirklich ÜBERALL liest? Ich mag Arnold Schwarzenegger. Sehr sogar. Seit meiner Jugend liebe ich seine Filme. Wie jetzt plötzlich alle ankommen und ihn nach dem Kriterium “echter Schauspieler” bewerten möchten, geht mir auf die Nerven. Bei Actionfilmen ist er mittlerweile der Actionopa, bei allen anderen Filmen ab jetzt also ein “echter Schauspieler”. “Und? Wie war Arnie in seiner ersten richtigen Rolle?” “HALT DEIN MAUL!”

“Maggie” ist ein Zombiefilm. Dies schreibe ich, weil ich an diversen Online-Rezensionsorten lesen durfte, dass man “Maggie” nicht als Zombiefilm bezeichnen sollte. Ich fasse zusammen: Es gibt da ein Virus, eine Infektion oder was auch immer. Wer davon betroffen ist, verwest langsam. Erst hat man keinen Hunger mehr, danach bekommt man Hunger auf Menschenfleisch. Während die eigene Haut langsam verwest, schlurfen die Opfer durch die Straßen und beißen Menschen. Wer gebissen wird, wird innerhalb von ein paar Tagen einer von ihnen. Klingt nach Zombies. Vermutlich sträuben sich ein paar Menschen vor der Zombiekeule, weil sich nicht eine Gruppe Überlebender durch Zombiehorden hacken müssen. Und man die Opfer nicht als Zombies bezeichnet. Aber ganz ehrlich? Nur, weil man es nicht mit Zombieklischees zu tun hat, macht das die Zombiebezeichnung nicht hinfällig.

Wie auch immer. Schwarzeneggers Tochter wird gebissen. Es gibt keine Heilung mehr. Es wird ihm gestattet, seine Tochter eine Zeit lang auf seiner Farm bei sich und seiner Frau zu haben, damit sie sich in Ruhe von ihr verabschieden können. Aggressives Verhalten setzt erst im Endstadium ein, deswegen ist die Ansteckungsgefahr recht gering (Solange man nicht das Blut der Tochter trinkt oder ähnliches. Aber wer macht das schon?).

In “Maggie” geht es um Abschied. Du weißt, dass deine Tochter sterben wird. Qualvoll. Wie gestaltest du ihre letzten Tage, während um dich herum andere Familien mit ähnlichen Schicksalen an dieser Last zerbrechen und die Polizei dir regelmäßig einen Besuch abstattet, da sie in deiner Tochter nur noch die Gefahr für die ganze Stadt sehen? Wie wirst du dich im Notfall verhalten? All diese Fragen stellt sich der Vater, während die Zuschauer ihm dabei zusehen dürfen. “Maggie” ist ein Drama, das während einer Zombieapokalypse spielt. Der Film ist extrem ruhig, Actionsequenzen suchen die Schwarzenegger-Schubladendenker vergeblich. Ich hatte die ganze Zeit lang ein flaues Gefühl im Magen. Die Vorstellung, einem Familienmitglied beim körperlichen Zerfall zugucken zu müssen, war noch nie etwas, was ich leicht hinnehmen konnte.

Mir hat “Maggie” sehr gut gefallen. Nicht, weil Schwarzenegger mir bewiesen hat, dass er ein “echter Schauspieler” ist. Eine solche Aussage ist wohl eher etwas für die linken Studentenhuren, die an Frankfurter Bauzaunplanen so gerne kritisiert werden. Mir hat “Maggie” gefallen, weil er als Drama funktionierte und ich mit den Charakteren mitfühlen konnte.

Film 7 – Bite

Fantasy Filmfest 2015 - Fantasy Filmfest 2015 - Tag #2

Wahnsinn. Was für eine Achterbahnfahrt der Gefühle! Hi hi hi. Schon wieder! Was habe ich begeistert gelitten. Einige Stunden nach Sichtung dieses Films weiß ich immer noch nicht, ob er jetzt der beste Film des Tages war oder nicht. “Bite” ist schwierig zu beurteilen. Ich kann aber schon jetzt sagen, dass ich ihn sehr, sehr gerne habe.

Drei Freundinnen machen Urlaub. Währenddessen filmen sie sich. Dies sorgte dafür, dass ich mir die ersten Minuten des Films fast durchgängig an die Stirn fasste. “Found Footage”-Filme? Macht man die noch? Ist das nicht Schrott aus den “fucking Neunzigern”? Als ich mich bereits auf ein Debakel wie vor ein paar Jahren bei “Black Rock” einstellte, geschah es: Die wohl großartigste Titlecard seit den fucking Neunzigern beendete die wackelige Kameraachterbahnfahrt und ersetzte sie durch… wie soll ich sagen… einen normalen Film. Ihr wisst schon.

Eine der drei Damen wird von irgendetwas gebissen. Von was? Man weiß es nicht. Sie kommt mit Pickelbein nach Hause und ruft erst einmal keinen Arzt, weil sie blöd ist. Ich habe schon viel über das schlechte amerikanische Gesundheitssystem gehört, dass man aber nicht zum Arzt geht, wenn man nach einem Druck auf den Oberschenkel einen Liter Eiterschleim durchs Zimmer spritzt, ist schon beängstigend. Aber gut, auf der anderen Seite kennen das die meisten Menschen in Deutschland. Der Zahn tut ein wenig weh, aber man geht erst einmal nicht zum Zahnarzt, weil es ja von alleine besser werden könnte. Dass das normalerweise nie funktioniert, ist egal und am Ende sitzt man mit einem verfaulten Zahn beim Arzt und hat mehr Probleme als zuvor. Unsere Protagonistin verhält sich ähnlich, nur verfault nicht nur ihr Zahn, sondern ihr ganzer Körper.

Langsam scheint sich die gebissene Dame in ein anderes Wesen zu verwandeln. Sie vollzieht eine groteske Metamorphose. Die Pickel häufen sich, man erbricht Schleim, man schläft in der Badewanne, die Haare fallen aus. Die in “Bite” dargestellte Verwandlung war ein wahrer Traum für meine Augen. Wenn “Bite” bei der nächsten Oscar-Verleihung nicht für das Make-Up nominiert wird, gehe ich auf die Barrikaden. Aber dazu äußere ich mich später noch einmal.

Beginnen wir mit dem Negativen. Als ich “The pack” als den Film der schlechten Entscheidungen bezeichnete, hatte ich selbstverständlich bereits im Hinterkopf, dass ich dies bei “Bite” revidieren würde. “Bite” setzt dem Ganzen die Krone auf. Man geht nicht zum Arzt, es wird alles ausgedrückt, was ausgedrückt werden kann, man bittet nicht um Hilfe. Das ist schwer nachvollziehbar. Andererseits sollte man aber auch bedenken, dass eine Metamorphose nicht immer nur äußerlich stattfindet, sondern auch im Innern. Wer weiß schon, was der Biss mit dem Gehirn der Protagonistin angestellt hat? Gegen Ende spricht sie selbst schon ihre Instinkte an und deutet somit an, nicht mehr ganz Herrin über ihre eigenen Entscheidungen zu sein. Vielleicht KANN sie nicht mehr um Hilfe schreien, weil der Nichtmenschliche Teil in ihr gar keine Hilfe mehr will.

Das erklärt aber selbstverständlich nicht alle Fehler. Der baldige Ehemann der Protagonistin, der tagein tagaus von seiner Mutter kontrolliert wird, begibt sich nicht auf die Suche nach ihr, wenn sie von einen Tag auf den anderen einfach so verschwindet? Zunächst scheint niemand im Haus die Schreie, die aus der Nachbarswohnung kommen, zu hören, plötzlich reicht dann aber das Schreien eines Namens, um diese Person drei Wohnungen weiter zu sich zu rufen. Man könnte vermutlich noch viele weitere Fehler dieser Art auflisten. Aber ganz ehrlich? All das hat mich nicht gestört. Ich habe hin und wieder schmunzeln müssen, war ansonsten aber viel zu sehr mit den unglaublich tollen Verwandlungseffekten beschäftigt.

Wie schon gesagt: Bitte einen Oscar an “Bite”. Die Protagonistin erinnert schon bald an eine ganz berühmte Filmfliege. Sie erhält diverse Fähigkeiten, die ich enorm spannend fand. Von Säurekotze über Handgiftdrüsen bis zum Giftstachel ist alles dabei, was man von einem Insektenmonster erwartet. Die Verwandlung vollzieht sich Stück für Stück, im Grunde geht es in dem Film um nichts anderes als die Inszenierung der Metamorphose. Es wird schleimig, eklig, siffig, blutig, eitrig und so weiter. Irgendwann verwandelt sich auch die Wohnung in eine glibbrige Brutstätte.

Ich hatte unglaublich viel Spaß mit “Bite” und habe mich keine Minute lang gelangweilt. Die Darsteller zählen nicht zu den Besten, die Geschichte weist Lücken auf, nicht alles sollte jedoch zu ernst genommen werden. Die gezeichnete Karte zum sagenumwobenen Spiegelsee (das müsst ihr jetzt nicht verstehen) fand ich zum Beispiel wundervoll.

Wer auf Verwandlungen steht, muss “Bite” eine Chance geben. Wer sich vor Schleim, Erbrochenem, schleimigem Erbrochenen und erbrochenem Schleim ekelt, sollte aber stattdessen vielleicht in Flubber gehen, da gibt es zwar auch Schleimkugeln, diese haben aber deutlich weniger Biss. Hier käme jetzt die “Bite”-Titlecard. Was für eine tolle Titlecard.

Und das war der zweite Tag. Ein Gesamtfazit erspare ich euch. Ich muss gleich wieder los. Kino! Juhu! Stattdessen komme ich lieber zu den Statistiken. Alle, die nichts über tote Hunde und Fingernägel wissen möchten, sollten jetzt nicht weiterlesen. Morgen geht es wie gewohnt mit einem neuen Text weiter.

Tote Hunde:

  • Kill your friends (Der Hund vom “Freund” des Protagonisten)
  • Parasyte: Part 1 (Der Hund spielt keine große Rolle im Film, er liegt nur irgendwann tot auf der Straße.)
  • The pack (Drei Hunde werden getötet. Ein paar Angestochen und verletzt, man sieht jedoch nicht, ob sie sterben. Größter Minuspunkt: Der Familienhund überlebt auf extrem unspektakuläre Art und Weise.)

Abgerissene Fingernägel:

  • Maggie (Na gut. Sie säbelt sich den ganzen Finger ab. Dieser war aber verwest und… ja ja ja. Muss man so nicht werten.)
  • Bite (Der Nagel wird schön langsam abgepuhlt und daraufhin sogar angenagt und gegessen. Das sollte den Maggie-Streitfall ausgleichen.)

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