Der letzte Tag des Fantasy Filmfests 2015 ist vorbei. Heute sah ich die letzten Filme und daran, “heute” zu sagen, obwohl eigentlich morgen ist und ich somit gestern sagen müsste, werde ich mich wohl nie gewöhnen. Verzeiht mir heute bitte alle gemachten Zeitfehler, ich habe “Reality” gesehen und kann deswegen nicht mehr klar denken.
Das Ende des Festivals hat auch gleich mal dafür gesorgt, dass ich mit dem Schreiben dieses Textes erst zu einer Zeit angefangen habe, zu der ich in den vorangegangenen Tagen bereits fertig und auf dem Weg ins Kino war. So ist das bei mir mit dem Schreiben. Ohne Druck geht da nicht viel. Das ist extrem traurig. Aber genauso Realität. Und was das bedeutet, werde ich euch im Text über “Reality” erzählen.
Schon wieder dieser Film? Was ist denn da los? Ganz einfach: Quentin Dupieux ist los. Mein momentaner Lieblingsregisseur war nach “Rubber”, “Wrong” und “Wrong Cops” nun schon zum vierten Mal auf dem Fantasy Filmfest vertreten und ich war total aufgeregt. Bisher schaffte es Dupieux tatsächlich, mich mit jedem seiner Filme zu überraschen und vor allem bestens zu unterhalten. Darum musste ich mich wirklich zusammenreißen, meine Vorfreude im Zaum zu halten. Vorfreude ist nämlich äußerst gefährlich, da sie Erwartungen wecken kann, die unerfüllbar sind. “Bestimmt geht das schon ab Minute eins total absurd los!” ist zum Beispiel schnell mal ein Gedanke, den man haben kann. Sieht man sich Dupieux´ anderen Filme an, erkennt man schnell, dass diese Erwartung auch hier schon nicht erreicht wird. Gut, “Rubber” sollte man aus dieser Sache vielleicht ausschließen.
Doch genug von “Reality” und Dupieux. Dazu komme ich ja später noch einmal. Zuvor mussten noch zwei andere Filme überstanden werden. Das große Festivalfinale. Es konnte beginnen.
Film 48 – Poseso
Ein Knetfilm. Juhu. Gott, hatte ich keine Lust auf “Poseso”. Aber ich ließ mir nichts anmerken. Das, was ich zuvor über Vorfreude sagte, kann man auch auf Vorunfreude beziehen. Ich blendete meine Erwartungen aus und ließ mich überraschen. Tja. “Poseso” war trotzdem nicht gut.
Zunächst einmal ein paar Worte zum Inhalt. Die beste Flamencotänzerin Spaniens heiratet den besten Stierkämpfer Spaniens. Spanien rastet aus und die Klatschpresse kennt kein Halten mehr. Als die beiden auch noch ein Kind bekommen, ist die Sensation perfekt. Bis der Stierkämpfer auf einmal stirbt und die Tänzerin in eine Sinnkriese stürzt. Und dann ist da auch noch der Sohn, der den Eindruck erweckt, er sei von einem Dämon besessen. Da kann nur noch eine Priester helfen. Zeit, für einen Exorzismus.
“Poseso” wirkte zunächst einmal von der Geschichte her total uninspiriert. Es gab keine nennenswerten Charaktere, die mich überhaupt auch nur ein wenig interessierte. Der geldgierige Kirchenchef, der sich hinterfragende Priester, die unglückliche Familie… nichts von diesen Dingen ließ mich dem Film auch nur einen Bruchteil an Interesse entgegenbringen. Gut, ein Exorzismusfilm kann auch andere Elemente haben, die den Zuschauer unterhalten können. “Poseso” ist letztendlich auch eine Parodie auf das Exorzismus-Genre, die so ziemlich jedes gängige Klischee dieser Filme durch den Kakao zieht. Leider durch einen äußerst abgestandenen und lange nicht mehr umgerührten Kakao. Auch der Humor funktionierte bei mir nicht. Die Aussage “Zwei, drei Szenen fand ich schon recht witzig” ist bei einer Komödie immer sehr traurig. Zwei, drei Szenen reichen nicht. Absolut nicht. Ein Klischee nach dem anderen zu parodieren, um es in der Parodieliste abhaken zu können, ebenfalls nicht. Ich hatte die ganze Zeit über das Gefühl, einen dieser “Disaster Movie”- oder “Teenie Movie”-Filme zu sehen, die nach “Scary Movie” förmlich aus dem Boden schossen. Nur mit weniger schlechten Sexwitzen. Dafür mit sehr gemächlichem Humor, der bei mir einfach nicht zündete.
Was blieb, waren die Knetanimationen, die gut waren, aber absolut keinen Grund darstellen, sich den Film anzusehen. Ich bin kein sonderlich visueller Mensch, wenn es um Effekte und Animationen geht. Natürlich kritisiere ich schlechte Effekte, doch gute Effekte, Kameraeinstellungen und so weiter sorgen selten dafür, dass ich einen Film nur wegen ihnen empfehle. Darum kann ich auch mit 3D nichts anfangen. Es gibt mir nichts und ist eine visuelle Spielerei, auf die ich verzichten kann. Doch ist das wiederum eine andere Diskussion. Was ich sagen will: Auch die Knetanimationen haben mich in “Poseso” nicht beeindruckt. Man hat aus der Knete nicht viel rausgeholt, aus dem Medium nicht viel gemacht.
Alles in allem kann ich kaum positive Worte über “Poseso” verlieren. Er flog meilenweit an meinem Geschmack vorbei und ich habe fand während der gesamten Laufzeit gelangweilt. Das Finale hielt ich beispielsweise für unterirdisch schlimm. Aber gut. Genug gesagt. “Poseso” hatte Charme, was man von Grütze wie “Hellions” nicht behaupten konnte.
Film 49 – Scherzo Diabolico
Nein, in “Scherzo Diabolico” geht es nicht um Witze unter der Gürtellinie. Es ist auch keine Dämonenfilmparodie. Das Scherzo ist die Bezeichnung für eine musikalische Satzform. Dies habe ich aus Wikipedia abgeschrieben. Dass der Begriff etwas mit Musik zu tun hat, hatte ich jedoch am Ende des Film vermutet. Schön, dass ich richtig lag.
Statt um einen besessenen Blöckflöter geht es um einen Anwalt, der es sich zum Ziel gesetzt hat, ein Mädchen zu entführen. Mit Stoppuhr bewaffnet analysiert er ganz genau ihren Heimweg, misst die Zeit, die er für ihren Transport benötigt und bereitet sich akribisch auf seine Tat vor. Als es soweit ist, funktioniert auch alles tadellos und das Mädchen findet sich in einer Lagerhalle wieder, in der ihr maskierter Gegenüber sie zu allerlei unangenehmen Taten zwingt. Mehr will ich nicht verraten. Warum die Entführung? Wer ist das Mädchen? Während “Scherzo Diabolico” stellt man sich viele Fragen. Eine davon lautet beispielsweise auch “Was sollte das mit der Ratte?”. All diese Fragen werden nach und nach beantwortet und ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich “Scherzo Diabolico” unglaublich interessant und spannend fand.
“Scherzo Diabolico” ist ein Thriller. Wir verfolgen einen scheinbar kranken Mann bei der Ausübung seiner genauso kranken Tat. Ich hielt die Auflösung des Ganzen für überaus clever, die Härte, vor allem am Ende, hat mir tatsächlich einen Schauer über die Laus auf meiner Leber… laufen lassen ihr wisst, was ich meine. Es hat Spaß gemacht, dem Film bei seiner Entwicklung zuzusehen. Gut!
Film 50 – Reality
Und dann war es plötzlich soweit. “Reality” begann. Quentin Dupieux´ neuster – Achtung! Es folgt sogleich meine Abschlussbewertung – Geniestreich. Was für ein unglaublich interessanter, lustiger, absurder, grotesker und verwirrender Film. Er beginnt gemächlich. Zwei Männer unterhalten sich, während sie immer wieder die Räumlichkeiten wechseln, über ein neues Filmprojekt. Ein Mädchen findet eine Videokassette im Magen eines Wildschweins. Ein Mann überbringt keine Blumen. Dupieux ist wieder einmal ganz er selbst und stellt den Zuschauer vor Situationen, mit denen er zunächst nicht umzugehen weiß. Was soll das alles nur bedeuten? Eine Frage, die man während Dupieux´ Filmen fast schon nicht stellen sollte.
Wobei ich es immer gemein finde, bei seinen Filmen von “sinnlos” zu sprechen. Dieses Wörtchen fällt häufig und ich bin mir nicht sicher, ob es stets richtig verwendet wird. Mit der Unterstellung von Sinnlosigkeit bin ich immer ein wenig vorsichtig. Das kann schnell einmal nach hinten losgehen, wenn man einen Film zum zweiten Mal sieht und plötzlich erkennt, dass in einer scheinbar sinnlosen Szene etwas angedeutet wird, was zur Haupthandlung gehört. Auf Analysen dieser Art will ich aber nicht weiter eingehen. Ich glaube, dass man über Realitys Analyse einen Text schreiben könnte, der so lang ist, wie alle meine Festivaltexte zusammengenommen.
Doch lasst uns nicht über Dinge dieser Art reden, über die Länge meiner Texte werde ich im Schlussfazit noch genug Worte verlieren. Ich bin gut im Worte verlieren. Ich verliere während meiner Texte so viele Worte, dass es fast schon Wunder ist, dass ich trotzdem noch welche finde. Wie auch immer. “Reality” war ein Meisterwerk.
Als der Film begann, legte ich mein Dupieux-Grinsen auf und plötzlich war der Film vorbei, ohne dass ich das Grinsen auch nur ein einziges Mal ablegen musste. Ich fühlte mich so gut unterhalten wie lange nicht mehr. Wie “Reality” das schaffte, kann ich nicht in Worte fassen. Ich bewundere Dupieux wie schon lange keinen anderen Künstler mehr. Weder “Deathgasm” noch “Turbo Kid” noch welcher Film des Festivals auch immer hat es geschafft, mich so unglaublich gut zu unterhalten wie “Reality”. Er trifft so dermaßen meinen Humor, dass es mir beinahe schon Angst macht.
Ansonsten bleibt mir wieder einmal nicht viel zu sagen. Wie in “Reality” mit den Ebenen Film, Traum, Zuschauer und Realität gespielt wird, was faszinierend. Nach dem ruhigen Start wird es von Minute zu Minute verwirrender und am Ende weiß man nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Hat man nun eine Film, einen Film in einem Film, einen Traum, einen Film im Traum oder einen Traum im Film gesehen? Oder geht das Ganze noch tiefer? Am Ende dreht man sich im Kreis. Und ich durch. Was für ein wundervoller Film.
Film 51 – Tales of Halloween
Beim Durchblättern des Programmheftes stieß ich auf das Plakat zu “Tales of Halloween” und durfte voller Freude feststellen, dass wir es wieder einmal mit einem Totenkopf auf einem Plakat zu tun haben. Selbstverständlich nicht mit einem gewöhnlichen Totenkopf, sondern mit einem, der aus einer Baumkrone geformt wird. Erkannt man erst auf den, naja, eigentlich schon auf den ersten Blick, da Totenköpfe dieser Art nur schwer zu verstecken sind. Letztendlich raubte mir das Zunächst die Lust auf Tales of Halloween”, als ich dann aber während einer Ansprache hören durfte, dass es sich hier um kleine Gruselepisoden rund um Halloween handelte, war ich schon wieder positiv gestimmt. “Trick ´r treat” gehört auch heute noch zu meinen Lieblingshalloweenfilmen. Wie würde sich “Tales of Halloween” wohl schlagen?
“Tales of Halloween” war richtig, richtig gut und gehört für mich von nun an genauso wie “Trick ´r treat” in eine angenehme Halloweensammlung. Der Film hat richtig viel Spaß gemacht, die einzelnen Episoden waren mal lustig, mal spannend, mal merkwürdig, mal alles zusammen und keine einzige Minute kam Langweile auf. Von den insgesamt zehn Kurzgeschichten hat mir lediglich eine einzige nicht zugesagt, der Rest schwankte zwischen gut und sehr gut. “Tales of Halloween” war ein kleiner Überraschungshit und ich will ihn haben. Um dann zu Halloween Kurzfilmfilmeabende zu veranstalten, in denen ich mir sowohl “Tales of Halloween” als auch “Trick ´r treat” ansehe.
Ich sehe davon ab, die einzelnen Episoden hier nun im Detail zu besprechen. Das würde dem Ganzen die Überraschung und Spannung nehmen. Wer Halloween mag, kann “Tales of Halloween” eine Chance geben. Von allen lustigen Spaßfilmen des Festivals, spielt dieser hier ganz weit oben mit.
Film 52 – Cop Car
Er war ein Polizist. Ein verdammt guter. Doch dann geschah es. Eines Tages wurde er von einem radioaktiven Polizeiauto gebissen. Seitdem durchstreift er das Land. Als Polizist und als Auto. Als Symbiose aus Lebewesen und Fahrzeug. Als Mutation. Als COP CAR.
So hätte “Cop Car” wohl ausgesehen, wenn es ein Kurzfilm des “ABCs of Superheroes”-Projekts gewesen wäre. Doch das war er nicht. Zum Glück? Das muss jeder selbst entscheiden.
“Cop Car” war der Abschlussfilm des diesjährigen Fantasy Filmfests. Er wurde als ein Film beschrieben, der die wichtigsten Elemente des Festivals noch einmal zusammenfasste. Wie genau diese Elemente nun lauten, weiß ich leider nicht mehr. Ich hatte sie mir aufgeschrieben, stieß beim Öffnen meines Notizbuches jedoch auf die Notiz “linke Studierhuren” und erkennte, dass ich während meiner gesamten Textreihe versehentlich “linke Studentenhuren” geschrieben habe. Tja. So ist das, wenn man die Fakten vor der Textveröffentlichung nicht überprüft. Mit diesem Fehler muss ich nun leben. Ob mir das gelingen wird? Ich glaube schon. Vermutlich habe ich ihn in ein paar Tagen bereits wieder vergessen.
Ob ich “Cop Car” in ein paar Tagen ebenfalls wieder vergessen habe, weiß ich noch nicht. Der Film hat mir grundsätzlich erst einmal gut gefallen. Zwei zehnjährige Kinder stoßen mitten in der Pampa auf ein verlassenes Polizeiauto. Nachdem man sich sicher ist, dass kein Polizist anwesend ist, steigt man ein, startet das Ding und braust davon. Da Kevin Bacon groß auf dem Filmplakat zu sehen ist, sollte klar sein, dass das Auto doch jemandem gehört. Kevin Bacon ist nämlich kein zehnjähriges Kind und auch, wenn er ein guter Schauspieler ist, bin ich mir ziemlich sicher, dass man ihm die Rolle eines Zehnjährigen nicht mehr abkaufen würde.
Irgendetwas stimmt jedenfalls nicht mit dem Auto. Mit dem Polizisten auch nicht. Dieser setzt alles daran, sein Auto wiederzubekommen. Die Kinder wiederum spielen mit der im Wagen befindlichen Ausrüstung. Ja, da zählen auch Schusswaffen zu. Den Kindern bei der Erkundung des Wagens zuzusehen war sehr erheiternd und sympathisch. Dass der Film es schafft, von Minute zu Minute eine immer bedrohlichere Atmosphäre aufzubauen, war sehr beeindruckend.
“Cop Car” war ein guter Film mit drei ganz tollen Schauspielern und einer mindestens genauso tollen Atmosphäre. Mehr möchte ich zur Handlung nicht sagen, da ich den Aufbau derselben sehr gelungen fand. ALLE Elemente des Festivals deckte “Cop Car” selbstverständlich nicht ab, das phantastische, mystische, unerklärliche wurde komplett beiseitegelassen. “Cop Car” ist ein Thriller. Ein guter Thriller. Und somit war er auch ein angenehmer Abschlussfilm.
Und mit diesem Abschlussfilm kam das Fantasy Filmfest zu einem Ende. Ich habe es tatsächlich geschafft und jeden Film gesehen, der einem als Zuschauer angeboten wurde. 52 Filme in 11 Tagen. Ich hebe mir mein Schlussfazit für einen eigenen Text auf, dennoch möchte ich kurz sagen, dass es mir wieder einmal sehr gefallen hat. Der Besuch des Festivals bereitet mir immer viel Freude. Das Festival war auch dieses Jahr extrem abwechslungsreich. Ich habe viel gesehen. Sehr viel sogar. Von allem etwas.
Wie geht es hier weiter? Nun, meine Textreihe über das Fantasy Filmfest 2015 kommt noch nicht zu einem Ende. Es wird vermutlich noch vier weitere Texte geben. Wenn alles klappt, kommt morgen wie bereits im letzten Jahr ein klassischer “Traumtagebuch”-Text. Danach folgt ein Gastbeitrag von meiner Frau, die das Festival ebenfalls noch einmal Revue passieren lässt und die Filme darin kurz kommentiert. Selbstverständlich mit einer Rangliste. Die gleiche Rangliste erscheint dann meinerseits einen Tag später. Welcher Film war der Beste, welcher der Schlechteste? Das wird sich in diesem Text zeigen. Und dann, ganz zum Ende, folgt mein Schlussfazit. Hier werfe ich zunächst mit Statistiken um mich. Wie lange war ich im Kino, wie lange dauerte ein Film, wie lange dauerte ein guter Film? Wie viel Zeit habe ich verschwendet? Wie immer lasse ich mir alle möglichen Statistiken einfallen, um meinen Drang nach Statistiken einmal so richtig ausleben zu lassen.
Und dann? Dann ist das Fantasy Filmfest 2015 tatsächlich vorbei. Ich hoffe, ihr hattet bisher viel Spaß und Freude mit meinen Texten. Und ich hoffe, dass ihr mir auch in den nächsten Tagen noch Gesellschaft leisten werdet. Wenn nicht: Vielen, vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Jahr. Hoffentlich. Wenn das mit dem Umzug gut funktioniert. An alle anderen: Bis morgen!