Liebes Tagebuch,
ich möchte keine Frau sein. Ich möchte es einfach nicht. Das hat jetzt nichts damit zu tun, dass ich etwas gegen Frauen hätte. Überhaupt nicht. Schuld daran ist mein letzter Traum. Ich war eine Außenseiterin. Was das an einer Schule bedeutet, sollte klar sein. Irgendwie hatte ich eine komische Art, mit Menschen zu reden. Ich war sehr direkt. Als ich beschloss, keine Jungfrau mehr zu sein, ging ich zum Beispiel einfach auf einen Typen zu und erzählte ihm, dass ich ihn für diesen Zweck auserwählt hätte.
Warum ich deswegen keine Frau sein möchte? Weil ich während meiner Periode entjungfert werden wollte. Um das Erlebnis so toll wie möglich zu gestalten. Mein Entjungferer hatte nach einiger Zeit einen ziemlich komischen Geschmack im Mund und ich einen toten Vogel im Zimmer. Nein, das hing glaube ich gar nicht zusammen. Aber auf meine Erinnerungen ist sowieso kein Verlass mehr. Nicht nach der letzten Woche. Der tote Vogel jedenfalls sorgte dafür, dass ich in einen Wald rannte und Dämonin wurde. Um meine Lebensweise abzurunden, verliebte ich mich in einen Dämonenjäger.
Dieser erwiderte meine Liebe, doch leider stellte sich schnell heraus, dass Dämon und Dämonenjäger nicht gut zusammen passen. Darum wurde mit magischen Mitteln dafür gesorgt, dass ich meinen Angebeteten vergesse. Das funktionierte super und ich verliebte mich stattdessen in einen anderen Menschen. Wieder eine tolle Idee. Verzweifelt gab ich das mit der Liebe auf, wurde zum Mann und baute Roboter.
Mein Ziel war es, ein Kind zu konstruieren. Also einen Roboter, der sich wie ein richtiges Kind verhält. Leider musste ich dafür erst einmal ein Kind finden, das interessant genug war, um als Vorlage zu dienen. Als ich es fand, erstellte ich ein virtuelles Mobile, das die Gedanken des Kindes wiederspiegelte.
Als ich kurz davor stand, mein Experiment erfolgreich zu vollenden, setzte ich mich in einen Bus und verunglückte. Ich erwachte als Frau zu Hause und stellte fest, dass ich alleine war. Dieses “in einem Traum aufwachen” ist schon immer blöd gewesen, hier aber ganz besonders. Ich war nämlich der einzige Mensch in der Stadt. Zwar stieß ich irgendwann doch noch auf einen komischen Typen, der war aber Comiczeichner. Um solche Leute mache ich in der echten Welt einen großen Bogen. Im Traum war das leider nicht möglich. Denn die Stadt war umgeben von einer riesigen, schwarzen Rauchwand, die die komplette Stadt umschloss und immer enger zusammenrückte.
Mein Freund und ich zogen uns in ein großes Haus zurück und lebten dort, bis er eines Tages verschwand. So blieb ich alleine zurück. Mit meinen zwei Kindern. Zumindest bis der Schwarze Mann kam. Von ihm hatte man sich im Dorf schon viele Geschichten erzählt. Viele Kinder waren verschwunden, niemand wusste genau, was geschehen war. Aber man redete. Ich hatte diesen Geschichten keinen Glauben geschenkt. Bis besagter Mann hinter meinem Kind her war. Ich nahm seine Verfolgung auf.
Er raste über eine Landstraße und ich hinterher. Während wir uns stritten, achtete keiner von uns auf die Straße. Dort stand plötzlich ein Kind. Wir wussten nicht, wie es dahin gekommen war. Letztendlich überfuhren wir es. Schockiert nahmen wir Reißaus. Man sagt, dass es sich hier um das Kind eines Motelbesiters handelte, der nach dem Verlust seines Kindes das Motel geschlossen hatte. Seit dem steht es leer und wird vom Geist des Kindes heimgesucht. Und ich war dafür verantwortlich. Ich wachte auf und beschloss, niemals in einem Motel zu übernachten.
Mir reicht es, liebes Tagebuch. Ich habe wie schon vor zwei Jahren einen Psychologen angerufen, damit er sich meine Träume mal genauer ansehen kann. Meine Aufzeichnungen werden ihm bestimmt helfen. Mir hoffentlich auch.
Guten Tag, spa
…
Notizen des Tagebuchs:
Patient…
- hat Probleme mit Frauen. Was genau, muss noch analysiert werden. Aber irgendetwas ist da doch nicht in Ordnung.
- hat vielleicht traumatische Erinnerungen an sein Erstes Mal.
- hat Angst, sich in die falsche Person zu verlieben.
- spielt gerne mit Robotern.
- hätte gerne ein Kind, das genau nach seinen Ansprüchen funktioniert.
- mag keine Comiczeichner.
- hat Angst vor dem “Schwarzen Mann”. Kindzeitstrauma?
- befürchtet, irgendwann jemanden zu überfahren. Die Autofahrprobleme sind größer als gedacht.
Maßnahmen:
- Bei Twitter, Facebook und Formspring nachsehen, ob es wichtige Informationen zu seinem Ersten Mal gibt.
- Daran erinnern, dass er mit seiner Frau mehr als zufrieden sein kann.
- Die komplette Reihe der aktuellen Transformers-Actionfiguren kaufen.
- Ihm zeigen, dass die Welt langweilig wäre, wenn alles so klappt, wie er sich das vorstellt.
- Dazu motivieren, einen eigenen Webcomic zu veröffentlichen. Vielleicht irgendwas mit Pinguinen.
- Verbieten, im Internet nach “Schwarzer Mann” und “Fotos” beziehungsweise “Geschichten” zu suchen.
- Langsam an Autos heranführen. Vielleicht kann man hier ja mit den Transformersfiguren arbeiten.