Einige Kilometer später erreichte ich eine zweite Mautstation. Wieder überlegte ich, mir wenigstens eine Hose über den Kopf zu ziehen, um von meinem immensen Geschlechtsteil abzulenken, doch dann gab ich mich meinen überlegenen Körperproportionen hin. Man muss zu sich und seinem Körper stehen. Das sagten schon andere Menschen, die ihren Mitmenschen überlegen waren.
Zum Glück gab es erneut keine Probleme.
So erreichte ich Luxemburg.
Das Firmengelände war schnell gefunden, das Einparken schnell erledigt und so freute ich mich mal wieder über die Abrechnung. Selbstverständlich hatte ich vor dem Empfang des Schecks meine Kleidung wieder angelegt. Man will ja seriös rüberkommen.
4.500 Euro. Jetzt nur nicht aufhören. Mein Gehirn teilte mir mit, dass ihm nur noch wenige Erfahrungspunkte fehlten, um eine neue Stufe zu erreichen. Ich konnte es nicht warten lassen. Sofort begab ich mich auf die Suche nach einem neuen Auftrag.
Von Luxemburg nach Brüssel? Belgien kannte ich auch noch nicht. Ich kannte verhältnismäßig wenige Orte der Welt. Warum also nicht?
Truck, Ladung, Licht. Mittlerweile war all das zur Routine geworden.
Als ich das Firmengelände verließ, fuhr mir ein Trucker über den Weg, der sechs PKWs mit sich führte.
Eine solche Ladung hatte ich bisher noch nicht transpörtieren dürfen. Schade eigentlich. Ich hoffte, irgendwann auch einmal einen Haufen PKWs befördern zu können. Klar, meine aktuelle Ladung war auch nicht zu verachten, aber irgendwie hatte ich genug von Baumaschinen. Mit diesen Gedanken verließ ich Luxemburg.
Der Weg nach Belgien verlief wieder angenehm ruhig. Langsam wurde es Tag.
Ich spielte am Radio herum, bis ich einen angemessenen Radiosender gefunden hatte.
So gab ich mich den Sehenswürdigkeiten der Strecke hin.
Ich bewunderte merkwürdige Strommasten.
Und farbenfrohe Felder voller Sonnenblumen.
So erreichte ich Brüssel gefühlt innerhalb weniger Minuten.
Die letzte Kurve vor dem Ziel wollte ich besonders schwungvoll nehmen…
… und hatte dabei ganz offensichtlich alles vergessen, was meine Wrestlingerfahrung mich gelehrt hatte. Man kennt das: Man will die Fans beeindrucken, springt mit einer Extraportion Schwung auf das oberste Ringseil, unterschätzt die Federung des Seils, wird in die Luft geschleudert und landet unsanft kopfüber auf dem Ringboden und im Gelächter der Zuschauer. So ähnlich ging es mir nun auch. Ich blieb an der Absperrung hängen.
Ich kam nur Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Beinahe wäre mein Anhänger umgekippt. Einmal streifte ich kurz ein Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn.
Aber mit viel Geduld und Spucke konnte ich mich dann doch ohne nennenswerte Schäden aus der Absperrungsumklammerung lösen. Nur mein Ego war ein wenig angekratzt, was ich der Spedition, die bereits auf mich und vor allem meine Fracht wartete, selbstverständlich verschwieg. Für meinen Auftraggeber war ich pünktlich.
Ich kassierte die fast 4.000 Euro mit einem Grinsen im Gesicht.
Ebenfalls grinsend nahm ich den Erfahrungspunkt entgegen, den ich für das Erreichen des nächsten Levels erhielt.
Ich hatte auf meiner Reise bisher kein einziges Mal die Gelegenheit, etwas Explosives zu transportieren und war deswegen ziemlich enttäuscht. Es fühlte sich ein wenig wie ein Pay-Per-View an, der lediglich aus Pillow-Fights bestand. Doch auf der anderen Seite hatte ich viel Geld durch die Annahme von Aufträgen mit hochwertiger Fracht eingenommen. So beschloss ich, mich erst einmal weiter auf diese Richtung zu konzentrieren.
Ich sollte an dieser Stelle ehrlich sein: Ich war wieder kurz davor, mich selbst zu überschätzen. Ich hielt mich für den König der Straße. Wie damals nach meinem Sieg im “King of the ring”-Turnier war ich kurz davor, überheblich zu werden. Aber so viel sei gesagt: Die nächsten Fahrten zeigten mir, dass ich noch lange nicht so gut war, wie ich dachte.
Zunächst war ich auf der Suche nach Abwechslung. Ich wollte auf jeden Fall ein anderes Land besuchen. Als ich dann von einer Reise nach Großbritannien hörte, musste ich nicht lange nachdenken. Den Eurotunnel mit 21 Tonnen Fleisch zu durchfahren, klang viel zu gut, um es abzulehnen.
Ich bestieg den Leihtruck, der mitten auf einer Farm platziert war.
Vor der Fahrt erhielt ich plötzlich eine E-Mail meiner Bank.
Man hatte mitbekommen, dass ich gut war. Was das in meinem Ego anrichtete, sollte klar sein. Ein Kreditrahmen von 500.000 Euro. Unbeschreiblich.
Trotz meiner Begeisterung versuchte ich, mich erst einmal auf meine eigentliche Mission zu konzentrieren. ich verließ die Farm, nicht ohne mich über die Baufirma zu ärgern, die einen Hindernisparcour für mich und meine Fleischlieferung aufgebaut hatte.
Ich war kurz davor, dem Bauunternehmen einen Dicken Haufen auf die Sitze der Baufahrzeuge zu setzen, doch dann wurde ich vom Anblick einiger Sonnenblumen beruhigt. Sonnenblumen haben eine beruhigende Wirkung auf mich. übrigens.