Ich will ehrlich sein: Der letzte Rückschlag ließ mich an meinem Entschluss, der beste Trucker aller Zeiten zu werden, zweifeln. Doch dann erinnerte ich mich an meinen ersten Titelgewinn und wie ich den Gürtel schon einen Tag später an “Das dreifache H” verlor. Auch an diesem Tag hatte ich alles hinschmeißen wollen. Aber ich tat es nicht. Ich ignorierte mein zerstörtes Inneres und gab weiterhin alles. Das wollte ich auch diesmal tun.
Ja, ich hatte durch meine Fahrt in die Schweiz nichts gewonnen. Nicht einmal Erfahrung(spunkte). Andererseits konnte es wohl nicht mehr schlimmer konnen. Nur eines wusste ich: Ich wollte aus der Schweiz raus. Selbstverständlich schloss ich eine Rückkehr zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus, doch gerade fühlte ich mich hier einfach nicht wohl. Ich wollte zurück in bekannte Regionen und freute mich, als ich von dieser Gabelstapler-Lieferung erfuhr.
Zurück nach Straßburg? Gerne. Eine bekannte Strecke, ein bekanntes Ziel.
Ohne lange nachzudenken, bestieg ich mein neues Auftragsfahrzeug und kontrollierte meine Fracht.
Ich fuhr los. Schnell sollte angemerkt werden, dass ich für das Chaos, das am Startort herrschte, diesmal wirklich NICHT verantwortlich war.
Nach wenigen Kilometern auf schweizer Straßen setzte der Regen ein.
Ich genoss das Sauwetter.
An der französischen Grenze hörte der Regen jedoch bereits wieder auf.
Als ich die Straßenschilder mit der Aufschrift Straßburg passierte, musste ich über die vergangenen Fahrten denken.
Grinsend erinnerte ich mich an die Fahrt durch diese verdammte, enge Toreinfahrt.
Wo hatte ich diese noch einmal bekämpf?
Ach ja! In Straßburg!
Fast hätte ich eine Vollbremsung hingelegt. Straßburg.
Ich warf einen Blick auf das Navi und geriet in Panik. Wie hatte ich das nur vergessen können?
Ich musste erneut durch die Toreinfahrt. Diese bescheuerte Toreinfahrt. Bei der Aurftragsannahme hatte ich lediglich an die Flucht aus der Schweiz gedacht und ganz vergessen, was ich in Straßburg durchgemacht hatte.
Als ich vor der Toreinfahrt stand, veränderte sich jedoch plötzlich irgendetwas in mir. Ich weiß nicht, ob es der Furz war, der gerade meinem Darm entwich, oder ein plötzlicher Anflug Selbstvertrauen. Vielleicht war es auch beides. Wie auch immer: Meine Angst war wie weggeblasen. Ich hatte auf einmal keine Angst mehr vor der Toreinfahrt. Es war wie bei einem “Hell in a cell”-Match. Geht man auf den Käfig zu, hat man Angst und Respekt vor der Kontruktion. Aber sobald man die Tür hinter sich zugezogen hat, vergisst man die Gefahr, die von ihm ausgeht. Der Käfig wird zum Tag-Team-Partner. Man benutzt ihn, um den Gegner zu besiegen. Ich hatte keine Angst mehr vor dem Tor. Ich wollte es benutzen, um meinen Auftrag abzuschließen.
Ich gab Vollgas, …
… passierte das Tor ohne Probleme…
… und lieferte meine Fracht ab.
Ende.
Man kann alles schaffen, wenn man nur an sich glaubt. Man wächst an seinen Herausforderungen. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt… und so weiter. Ich gab ein paar mit motivierenden Sprüchen bedruckte T-Shirts bei einer T-Shirt-Druckerei in Auftrag und beschloss, sie weder abzuholen noch zu bezahlen.
Stattdessen verließ ich so schnell wie möglich das Land.
Druckbehälter nach Luxemburg? Klar! Warum nicht!
Als ich meinen Truck bestieg, staunte ich nicht schlecht. Meine erste Nachtfahrt!
Ich schaltete die Beleuchtung ein und riss mir die Kleider vom Leib, um aus der Nachtfahrt auch noch eine Nacktfahrt zu machen.
So betrat ich die Straße, erblickte beim Verlassen des Parkplatzes das Tor, durch das ich zuvor hatte fahren müssen, erschrak und wäre beinahe gegen eine Laterne gefahren.
Ich verließ Straßburg mit dem Entschluss, es lange Zeit nicht mehr zu betreten.
Der Weg nach Luxemburg war traumhaft. Der Mond stand hoch am klaren Himmel und ich genoss die Atmosphäre. Die Straße war angenehm ruhig.
Irgendwann erkannte ich Lichter am Horizont. Als ich mich ihnen näherte, stand ich auf einmal meiner ersten Mautstation gegenüber.
Ein bisschen Angst hatte ich schon. Schließlich war ich gerade nackt. Als ich der Schranke genau gegenüber stand und in das Wachhäuschen sah…
… war zum Glück niemand anwesend.
Ich tat, was man an Mautstationen eben so tut, und fuhr davon.