Schon alleine der Umstand, dass man die Innenstädte Deutschlands nicht mehr betreten kann, ohne von panischen Menschenmassen zertrampelt zu werden, sollte auch dem letzten Hinterwäldler zeigen, dass bald Weihnachten ist. Und um zu vermeiden, dass ich meine Texte auch weiterhin mit solch typisch weihnachtlich beschwererischen Einleitungen beginne, bleibe ich lieber zu Hause, besetze mein Sofa und lege Sammelalben an.
Da sich meine Sammelalben immer durch Aktualität und brisante Inhalte auszeichnen, trägt mein aktuelles Album auch den Titel: „Möglichkeiten Weihnachten einmal anders zu gestalten als der verdammte Rest der Welt.“
Der erste Eintrag darin lautet: „Einfach mal nicht feiern.“ So simpel diese Aussage auch klingen mag, stellt sie doch eine sehr interessante Alternative zum Weihnachtsstress dar. Wer nicht feiert, muss nicht stressen. Man hat es nicht nötig, sich in den finanziellen Ruin zu stürzen, nur um seinen Bekanntenkreis, den man das ganze Jahr über mangels Freundschaft sowieso nie zu Gesicht bekommt, zu beschenken. Auf Beruhigungstee zum Stressabbau am Abend kann man auch verzichten. Endlich einmal ohne Kräuterkonsum einzuschlafen ist eine Möglichkeit, die während der Weihnachtszeit für viele in Vergessenheit geraten ist.
Vielleicht sollte man, wie das Schaltjahr, alle vier Jahre Weihnachtsjahr einrichten, in dem die Tage vom 24ten bis zum 26ten Dezember einfach aus dem Kalender gestrichen werden würden. Die Hersteller von Abreißkalendern wären für diesen Schritt dankbar, da sie somit drei Abreißseiten weniger mit unkreativen Sprüchen oder Rätseln füllen müssten, die über Weihnachten sowieso niemand lesen oder lösen würde, da in dieser Zeit schließlich jeder Kalenderbesitzer gestresst zu Hause herumrennt und Bekannte beschenkt. Die nicht bedruckten Papierseiten könnte man Kindern in Dritte Welt Ländern schenken, damit diese auf ihnen nette kleine Briefe an ihre Patenfamilien in den Industrieländern schreiben können, in denen sie sich dafür bedanken, dass sie Papier geschenkt bekämen.
Der Zweite Eintrag lautet: „Die Irren beobachten.“ Man rüstet sich aus mit einem Kännchen Kaffee oder Tee, schmiert sich ein paar Brote, setzt sich auf eine Bank, eine Mauer oder einfach auf den Boden an einer zentralen Stelle der Innenstadt und beobachtet das hektische Treiben, dass sich um einen abspielt. Mit entspanntem Gesichtsausdruck lacht man über die angespannten Gesichtsausdrücke der Vollbepackten Panikkäufer, amüsiert sich über aufgerissene Einkaufstüten, dadurch im Dreck verteilte Geschenke und die Besitzer der zerrissenen Tüten, wie sie versuchen, alles wieder einzusammeln ohne sich selbst oder die anderen, noch eingetüteten, Geschenke zu beschmutzen.
Zwischendurch darf man auch Gespräche belauschen, in denen sich rein zufällig zwei bepackte Menschen begegnen, die sich kennen und dann breit grinsend darüber lachen, wie gestresst doch alle wären. Man selbst würde zwar gerade auch einkaufen, dies sei aber etwas anderes, da man eigentlich in aller Ruhe nur ein wenig „bummeln“ gegangen wäre und dabei über ein paar interessante Dinge gestolpert sei, die man „den Lieben daheim“ noch mitbringen könne. Der Gesprächspartner nickt und meint, dass es ihm genauso gegangen wäre. Sich über diesen lustigen Zufall amüsierend, verabschieden sich die beiden Personen und hetzten dann, in aller Ruhe natürlich, mit schnellen Schritten von dannen.
Eintrag Nummer drei trägt den Titel: „Sich einen anderen Tag suchen.“ Der 24ste Dezember hat mittlerweile nur noch Symbolcharakter. Wer weiß schon genau, wann Jesus Christus geboren wurde? Und wer möchte dies überhaupt so genau wissen? Das festgelegte Datum funktioniert und die Wirtschaft kann sich darauf einstellen.
Wer dem Stress in dieser Zeit aber den Rücken zuwenden möchte, sollte es so machen, wie viele Leute mit den eigenen Geburtstagen auch verfahren, wenn diese auf einen Tag fallen, der einem persönlich gerade nicht in den Kram passt: Nachfeiern. Was ist dagegen einzuwenden, Weihnachten mal ein oder zwei Wochen später zu feiern als alle anderen? Sicher. Man ist nicht mehr „trendy“ und wird im Bekanntenkreis mit abwertenden Blicken gestraft, doch sollte man einmal über den familiären Schatten springen und feiern, wenn es einem gefällt.
Der liebe Herr Christus würde es sicherlich verstehen, wenn man ihm freundlich erklärt, dass man seinen Geburtstag aufgrund der verrückten Umgebung mal etwas später feiert. Er bekommt sowieso so viele Glückwünsche in der Weihnachtszeit, dass ihm einer mehr oder weniger gar nicht auffallen würde.
Mitte Januar würde man den Geburtstagbaum schmücken, die Kerzen daran anzünden, fröhlich „Happy Birthday“ singend um ihn herumtanzen und Geschenke an die Gäste verteilen. Herr Christus selbst bekommt natürlich kein Geschenk zum Geburtstag, da man den Gästen bereits so viele Gaben gekauft hat, dass für den Geburtstagsopa selbst kein Cent mehr übrig war. Macht aber nichts, denn er war noch nie bei einer seiner Feiern anwesend.
Der letzte Eintrag im Album lautet „Sich selbst etwas schenken, es die anderen aber auspacken lassen.“ und ist eher als alternative Schenkungsweise gedacht, wenn man um das Weihnachtsfest nicht herumkommt. Um die gefürchteten Enttäuschungen unterm Weihnachtsbaum zu vermeiden, kauft sich einfach jeder selbst das, was er gerne haben möchte. Damit der Überraschungseffekt beim Auspacken der Geschenke aber nicht gänzlich zerstört wird, packt man aber nicht die Geschenke aus, die man sich selbst macht, sondern die der Gäste. Man ist gespannt, was sich die Anwesenden selbst schenken, somit voller Begeisterung dabei, hat am Ende aber auch ein Geschenk, mit dem man etwas anfangen kann.
Mit dieser Alternative habe ich mein Sammelalbum beendet. Vier Möglichkeiten sind mehr als genug. Alle rufen immer, dass sich mal „etwas ändern solle, an der Welt“. Schaut man sich zu Weihnachten aber mal ein wenig um, kann man nur kopfschüttelnd feststellen, dass Veränderungen eigentlich gar nicht so erwünscht sind. Und so werden die Menschen wohl auf ewig durch die Geschäfte stürmen und drängen, während arme kleine Kinder in Dritte Welt Ländern mit ebenso kleinen Stöckchen Bilder in den Sand ritzen, weil sie kein Papier haben. Frohe Weihnachten.