Diablo 3 – Blähdarm des Gemetzels

Dieser Text erschien vor genau einem Jahr auf polyneux.de. Ein Jahr später veröffentliche ich ihn nun auf dieser Seite.

Diablo 3 - Blähdarm des Gemetzels

Im Zusammenhang mit “Diablo 3” möchte ich zunächst drei Worte nennen (und darum bitten, dieses Lied zu starten): Mörser, Elektrisiert, Geschmolzen. Das war die Elitegegner-Eigenschaftenkombination, die mich laut lachen ließ, während sich mein Mönch panisch kreischend auf der Flucht vor einer gemeinen Froschmeute befand. Was sollte er auch anderes tun? Begab er sich in den Nahkampf, fand dieser auf brennendem Boden statt (Geschmolzen). Landete er einen Treffer, entließen die Gegner einen Haufen kleiner Blitzwolken (Elektrisiert). Und rannte er weg, bewarfen sie ihn mit Feuerbällen (Mörser). Er rannte und rannte, während um ihn herum alles brannte und explodierte und zerblitzte. So ging das einige Minuten lang. Und ich musste die ganze Zeit über lachen. Meine Frau fragte sich bereits, was los war. Erklären konnte ich es ihr nicht. Ich stellte mir gerade vor, wie mein Held noch vor wenigen Minuten breitschultrig Neu-Tristram verlassen hatte, um die Welt zu retten. Wäre ihm heimlich jemand gefolgt und hätte gesehen, wie er hier von Fröschen verfolgt um einen Baum rennt, er hätte die Hoffnung aufgegeben. Als ich den letzten Frosch besiegt hatte, musste ich eine Pause einlegen. Mir tat der Bauch weh. Das war nicht die erste Situation, in der ich riesigen Spaß mit Diablo 3 hatte. Aber auf jeden Fall die Lustigste. Bisher. Ihr dürft die Musik jetzt übrigens wieder ausmachen.

Selbstverständlich ist nicht alles toll an “Diablo 3”, ich habe einiges am Spiel auszusetzen. Zunächst einmal wäre da der Templer. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen aufdringlicheren Nebencharakter gesehen. Warum? Weil er immer VOR meinem Helden herumrennt! Ich spiele am liebsten einen Nahkämpfer. Nahkämpfer sind harte Kerlinnen und Kerle, die ihre Körper mutig in den Kampf schleudern. ICH bin der Held und der Templer ist nur mein Gehilfe. ICH betrete das Schlachtfeld als Erster, nicht dieser Möchtegernkrieger. Es ist unglaublich, wie sehr mich dieses Vorgerenne nervt! Ist er vor mir, drehe ich mich in der Hoffnung, ihn von nun an hinter mir zu lassen, um und renne in die andere Richtung. Aber was macht der Templer? Er legt einen kleinen Sprint hin und setzt sich so erneut vor mich. Unerhört. Was für ein aufdringlicher Typ! Auf diesen Sprint greift er ansonsten nie zurück! Rennt ein schneller Gegner vor ihm weg, watschelt er im Schneckentempo hinterher. Aber wenn ich vor ihm herumlaufe, dann fällt ihm plötzlich ein, dass er auch schneller kann. Mistkerl.

Auch an anderer Stelle haben die “Diablo 3”-Designer geschlampt. Wer ist denn bitte auf die Idee gekommen, den Knopf für die Charakterfähigkeiten mit einem Schwert und den Knopf für das Inventar mit einem Charakterbild zu versehen? Das Schwert ist ein Gegenstand im Spiel. Wo landen Gegenstände? Richtig: Im Inventar. Die Charaktereigenschaften sind dagegen etwas, was die Fähigkeiten meines Helden verändern. Hier wäre die Körpersilhouette viel passender. Auch nach Hundert Stunden Spielzeit rufe ich mein Inventar noch versehendlich über den Schwertknopf auf und ärgere mich im Anschluss über diese vermurkste Menüführung. Was soll das? Hat Blizzard durch “World of Warcraft” nicht genug Erfahrungen im Bereich der Menübilder sammeln können? Was haben die denn all die Jahre über gemacht?

Am schlimmsten ist aber der Handel mit Gegenständen. Vor allem im dritten und vierten Akt. Ich beziehe mich auf Vidar. “Der Sammler” nennt er sich. Dieser gemeine Halunke! Spreche ich ihn an, beginnt er zu jammern. “Das ist so eine harte Zeit. Wie soll man nur über die Runden kommen?” Und dann krönt er sein Gejammer mit folgender Aussage: “ICH werde überleben, wenn DU etwas kaufst.” Das ist ja wohl unterste Schublade, wie man so schön sagt. Ich kann einfach nicht anders als Vidar bei jedem Aufenthalt in der Arreat-Festung einen Besuch abzustatten und irgendetwas zu kaufen. Mal ein Paar Stiefel. Dann Handschuhe. Ich bin einfach zu freundlich. Ich kann ihn doch nicht einfach so stehen und verhungern lassen. Armer Vitar. Gut, gleichzeitig klaue ich ihm bei jedem Besuch seine Ersparnisse. Aber daran ist er selbst schuld. Warum platziert er sie auch so auffällig in einer Kiste vor seinen Füßen?

Und dann ist da auch noch Blizzards Geldgier. Bei meinem ersten Diablo-Kill hätte ich das Spiel am liebsten beendet. Als all die Gegenstände und Goldhaufen aus Diablos totem Körper sprudelten, hätte man auch gleich das Logo eines großen Mineralwasserherstellers einblenden können. Aber das wäre natürlich zu auffällig gewesen. Blizzard baut die Werbung lieber versteckt in sein Spiel ein. Was zum Glück nicht heißt, dass sie meinen wachsamen Augen entgeht. Durst hatte ich trotzdem.

Jetzt möchte ich aber meine seriöse Videospielkritikerbrille der Vernunft mal für ein paar Minuten ablegen. Nein, besser nicht. Dann sehe ich nicht, was ich schreibe. Ist aber andererseits vielleicht ganz gut. Oder ich gehe einfach näher an den Bildschirm ran. Ui, meine Nasenspitze wird angenehm warm. Ganz ehrlich: “Diablo 3” ist abseits der oben beschriebenen Fehler ein großartiges Spiel. Da wäre zum Beispiel ein Elitegegner, der mir eines Tages vor die Füße lief und den Namen Blähdarm trug.

Und das ist noch längst nicht alles. Selten war der Name einer Ortschaft passender als “Felder des Gemetzels”. Es kommt nicht häufig vor, dass ich wegen bombastischer Szenen anfange, vor Freude zu jubeln. Bei “Diablo 3” ist dies nicht nur einmal passiert. Wenn sich mein Mönch durch Gegnerhorden boxt, diese dabei anzündet, explodieren lässt, lähmt und blendet, kann ich nur noch glücklich sein.

Außer es taucht plötzlich eine Horde unverwundbarer Diener auf. Das war auch so ein Erlebnis. Ich hatte es irgendwie geschafft, nur die Diener anzulocken. Vom Elitegegner, den ich töten musste, um mich der Diener entledigen zu können, war keine Spur. Leider bemerkte ich das erst, als ich mich bereits einige Meter zurück bewegt hatte und wild suchend meinen Mauszeiger über die Gegner bewegte. Kennt ihr diese Fußballtrainingsvideos, in denen die Spieler um eine Reihe von Fähnchen laufen? So sah das bei mir auch aus. Bis auf die Tatsache, dass die Fähnchen mich verfolgten und töten wollten. Und Giftpfützen unter sich bilden.

Rede ich gerade tatächlich über Fußball? Die EM ist doch vorbei. Die ganzen Profifußballer vor ihren Fernsehgeräten haben sich wieder in ihre fußballfreien Löcher verkrochen. Das Thema ist durch. Genauso wie mein Text. Darum nun mein abschließendes Fazit.

Ich liebe “Diablo 3”. Es macht unglaublich viel Spaß. Ich mag das Loot-System. Ich finde immer wieder bessere Gegenstände. Auch auf Inferno. Das Auktionshaus benutze ich nicht. Ich werfe nur hin und wieder mal einen Blick rein. Wie damals bei “Diablo 2”, als man in Charakterguides geguckt hat und den Gegenständen hinterher geträumt hat, die einem da für einen perfekten Charakterbuild empfohlen wurden. Selber nutzen werde ich es aber nicht. Ich finde mein Zeug. Ich grinde gerne. Wenn ihr wüsstet, was ich hier gerade mit meinen “Skylanders”-Figuren durchziehe, wüsstet ihr was ich meine.

Das neue Fähigkeitensystem ist ebenfalls großartig. Es gibt Situationen, in denen ich meine Fähigkeiten komplett umstelle, um eine bestimmte Gegnerhorde zu besiegen. Ja, ich werde dadurch vermutlich nur einen Charakter pro Klasse auf 60 bringen. Vielleicht aber auch nicht. Ist aber auch nicht schlimm. Ich habe bisher knappe 100 Stunden mit meinem Mönch verbracht. Das wären 400 weitere Stunden, wenn ich alle Charakterklassen durchziehen will. Natürlich würde es etwas schneller gehen, weil ich die Zwischensequenzen abbreche. Aber selbst dann bleiben noch einige Stunden Spielzeit übrig.

Viel mehr kann ich nicht schreiben. Ich kenne die Kritikpunkte. Der Onlinezwang ist alles andere als optimal. Ich kann meine fehlgeschlagenen Login-Versuche aber an einer Hand abzählen. Die Verbindungsabbrüche ebenfalls. Und all das steht in keinem Verhältnis zu dem Spaß, den ich habe. Ich meine: Blähdarm? Super!

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