Wie mir “Amnesia: The dark descent” gefallen hat, habe ich leider vergessen. Haha. Wegen Amnesie. Haha. Ja, lustige Einleitungen sind wichtig. Hoffentlich vergesse ich das irgendwann endlich, wie der Protagonist aus “Amnesia: The dark descent”. Da, ich habe es schon wieder getan. Verdammt. “Amnesia” also. Meiner Meinung nach hat Alligatoah hier ein wahres… nein, Moment. “Amnesia”, nicht “Amnesie”. Warum ich hier so einen Blödsinn schreibe? Um mich verdammt noch mal abzulenken. Ich will die Albträume vergessen, die mir “Amnesia” beschert hat.
Ich habe “Amnesia” lange Zeit vor mir hergeschoben. Weil ich Angst vor dem Spiel hatte, um ehrlich zu sein. Aber irgendwann kam der Tag, an dem ich mich meinen Ängsten stellen wollte. Ich lasse mich doch nicht von einem Videospiel besiegen. Außerdem war ich neugierig. Schließlich mag ich Horrorfilme und grusle mich gerne. Ich beschloss also, endlich “Amnesia” zu spielen. Und zwar richtig. Meine wichtigsten Regeln: Dunkelheit, Kopfhörer und vor dem Schlafengehen spielen. Letzteres war dann übrigens doch keine gute Idee.
Meine erste Nacht nach “Amnesia” endete damit, dass ich vollkommen durcheinander aufwachte, weil die ganze Zeit ein Mann neben meinem Bett gestanden und mich angestarrt hatte. Gut, nicht die ganze Zeit. Hin und wieder hatte ich ihn auch durch den von meinem Bett aus gut erkennbaren Flur meiner Wohnung wandern sehen. Als ich am Morgen aufwachte, weil ich auf die Toilette musste, traute ich mich nicht, aufzustehen. Der Mann hätte ja noch da sein können. Und ich wollte ihn nicht stören. Vor allem nicht auf der Toilette. Der hatte mir die ganze Nacht über Gesellschaft geleistet. Da wollte ich nicht undankbar sein und ihn wenigstens seine Darmsitzung beenden lassen. Selbstverständlich hielt meine Aufwachphase nicht lange an und irgendwann traute ich mich tatsächlich aus den Federn.
Hätte ich gewusst, dass ich einen Tag später im Traum gleich von mehreren Männern dieser Art durch einen mir unbekannten Ort gejagt werde, wäre ich vermutlich liegengeblieben. Zwei Nächte “Amnesia”, zwei Albträume. Zufall? Nein. Ich weiß sogar, dass ich auch in der dritten Nacht einen Albtraum hatte. Ich erinnere mich leider nur noch daran, dass ich aufwachte, vollkommen fertig war und mir die ganze Zeit über sagte, ich dürfe den Albtraum nicht vergessen. Leider vergaß ich ihn doch. Leider? Ich meinte natürlich: Zum Glück!
So legte ich also eine kleine “Amnesia”-Pause ein. Das war mir einfach zu viel Rumgealbe in meinen Träumen. Das resultierte in einem der übelsten Albträume, an die ich mich in meinem Leben erinnern kann. Ich lag in meinem Bett und wurde von einem ungeheuerlichen Wesen beobachtet. Ich konnte es in den Augenwinkeln erkennen. Immer, wenn ich es ansehen wollte, verschwand es jedoch. Irgendwann hatte ich so eine Angst vor dem Ding, dass ich mich aufrichtete. In diesem Moment flog das Vieh genau vor meinem Kopf davon. Es hatte auf meinem Kopfkissen gesessen und ich hatte es aufgeschreckt. Das Wesen zu beschreiben, fällt mir schwer. Es war ein Haufen langer, dünner Beine, die irgendwie ohne Körper zusammenhielten. Um ehrlich zu sein, will ich nicht länger darüber nachdenken. Wobei ich den Anblick vermutlich nicht so schnell vergessen werde. Gut, dass ich nicht zeichnen kann.
Jedenfalls gab mir dieser Anblick den Rest. Ich befand mich die ganze Zeit über in irgendeiner merkwürdigen Phase zwischen Schlaf und Wachsein. In diesem Moment weckten meine Bewegungen meine Frau. Als sie sah, dass ich im Bett saß und mich umguckte, wollte sie natürlich wissen, was los war. Ich sagte ihr lediglich, dass sie so schnell wie möglich das Zimmer verlassen sollte, weil hier irgendetwas drin war. Sie wusste nicht, was los war, tat jedoch, was ich verlangte. Ich war also alleine im Zimmer und traute mich nicht, das Licht anzumachen. Ich wollte das Vieh nicht sehen, obwohl ich wusste, dass es nicht existierte. Mein Herz raste, ich war am schwitzen und hatte Angst. Als ich mich dann doch an den Lichtschalter traute, hatte ich mich endlich ein wenig beruhigt. Ich war wirklich alleine.
Nach einiger Zeit gingen meine Frau und ich wieder schlafen. Die ganze Nacht über tauchte das Wesen immer wieder auf. Mal saß es an der Wand, mal auf meiner Frau. Ich spürte seine Blicke, aber ich redete mir die ganze Zeit über ein, dass es nur ein Traum war. Dass es nicht existierte. Als es draußen hell wurde, wusste ich, dass ich “Amnesia” endlich beenden musste. Zwei Tage später hatte ich es geschafft und freute mich auf den Nachfolger. Warum auch immer.
Warum “Amnesia” eine solche Wirkung auf mich hatte, werde ich wohl nie erfahren. Ich hatte zu dieser Zeit viel Stress. Mein zweites Buch war endlich fertig und hatte meine Denkleistung ziemlich beansprucht. In dem Buch geht es zudem auch ums Träumen, wenn auch auf lustige Weise. Jedenfalls sorgte vermutlich die Kombination Stress und Horrorspiel für die Albträume. Was auch immer es war, aus heutiger Sicht hätte es vermutlich nicht besser laufen können. Habe ich das tatsächlich geschrieben?
Nun gut. Worum geht es im Spiel? Um einen Mann, der sein Gedächtnis verloren hat. Man erwacht in einer Burg, torkelt durch Gänge, ruft sich immer wieder zu, dass man Daniel heißt und geht von nun an der Geschichte auf den Grund, die für dieses Chaos verantwortlich ist. Dabei stößt man auf unerklärliche Ereignisse, Experimente, Monster und vor allem auf eine Atmosphäre, die ich so noch nie erleben durfte.
Während ich diesen Text schreibe, höre ich den “Amnesia”-Soundtrack. Ein bisschen, weil ich mich hasse, zum Großteil jedoch, weil er mich daran erinnert, wie ich mich beim Spielen gefühlt habe. Ich hatte Angst vor dem, was kommen könnte. “Amnesias” Stärken waren für mich die Momente, in denen nichts passierte, man aber mit dem Schlimmsten rechnen musste. Wenn das Schlimme dann auftauchte, war ich fast schon beruhigt. Das Schlimme sind hier übrigens abartige Monster, die durch die Gegend schleichen und einen töten, wenn sie einen sehen. Man kann sich nicht wehren, sondern nur fliehen und sich verstecken. Rennt auf ein Monster zu und ihr seid tot. Versteckt euch im Dunkeln und ihr seid sicher. Bis ihr wahnsinnig werdet, weil der Protagonist Angst vor der Dunkelheit hat. Taucht ein Monster auf, wird “Amnesia” zu einem Schleichspiel. Man lernt das Bewegungsmuster der Gegner kennen und schleicht an ihnen vorbei. Auch diese Stellen waren spannend, gehörten jedoch zu den schwächsten des Spiels. Sah man das Monster, hatte man etwas Greifbares vor sich, auf das man seine Angst konzentrieren konnte. Man wusste, wo das Grauen lauerte und musste sich einfach nur in eine Ecke verkriechen, bis das Monster verschwand. Das Verschwinden eines Monsters erkannte man übrigens daran, dass die Monstermusik verstummte, die immer dann ertönte, wenn ein Monster in der Nähe war. Ich habe mich nie erschrocken, weil plötzlich ein Monster direkt vor mir stand, da dessen Auftauchen immer mit Geschrei und Musik angekündigt wurde, was ich fast schon wieder lustig fand, da es mich an die “Mysterie Science Theater 3000”-Episode erinnerte, in der man sich dem Film “Master Ninja I” widmete. Da hatten die Charaktere auch immer ihre eigene Hintergrundmusik. Egal. Das ist ein anderes Thema.
Was ich hassliebte, waren die ruhigen Momente. Die Musik des Spiels ist phänomenal. Selten war ich beim Erkunden eines Studierzimmers so angespannt. Es gab so viel zu entdecken, so viel herauszufinden. Die Hintergrundgeschichte wird nicht gleich zu Beginn erklärt, zunächst ist man genauso ahnungslos wie der Protagonist. Die Hintergründe eröffnen sich einem nur durch das Lesen von Briefen und Tagebucheinträgen, die man mit der Zeit findet. Man mag nun von herumliegenden Tagebuchseiten halten, was man will, wenn sie die Handlung voran bringen, bin ich der Letzte, der sich über sie beschwert. Am Ende kann man erahnen, was in der Burg passiert ist. Liest man alle Dokumente, hat man vieles verstanden. Aber nicht alles. Das große “Was ist dieses Böse eigentlich genau?” wird nicht beantwortet. Zum Glück. Es geht darum, dass es böse ist und man sich nicht mit ihm anlegen sollte.
Das Erkunden war es also, das mich immer wieder zu “Amnesia” zurückgetrieben hat. Eine Halle betreten, die Nebenräume erforschen, in jede Ecke gucken, so ein Verständnis für den Aufbau der Burg bekommen… manchmal hätte ich mir gewünscht, die Monster einfach ausschalten zu können, um die Burg, seine Geschichte und das Grauen in Ruhe in mich aufnehmen zu können. Aber natürlich funktioniert “Amnesia” ohne Monster nicht. Zumindest nicht, wenn man weiß, dass es keine gibt. Man braucht die Monstermomente, um sie nach ihrem Verschwinden wieder zu erwarten. Meinen Hut zog ich jedoch immer dann, wenn man ein ganzes Kapitel ohne ein einziges Monster hinter sich gebracht, sich dies aber keine Sekunde lang wie Urlaub angefühlt hatte. Meisterhaft.
Hin und wieder war ich sogar so angespannt, dass ich mich mit Physikspielereien ablenken musste. Dann errichtete ich kleine Pyramiden aus Holzkisten und spielte Dosenwerfen. Nur eben mit Kisten und Blumenvasen statt Dosen und Bällen.
Oder ich ritt auf einem Besen durch die Burg und tat so, als sei ich Harry Potter.
Oder ich überprüfte die Einrichtung auf ihre Brennbarkeit.
Oder ich analysierte die Lichteffekte.
Oder ich verpasste kopflosen Statuen einen neuen Kopf.
Und balancierte auf diesem wiederum einen Hundekopf.
Oder ich stapelte mehrere Hundeköpfe übereinander. Auf dem Rücken eines Hasens.
Hin und wieder räumte ich auch einfach die Zimmer auf.
Ja, ich musste mich oft ablenken. Ich versuchte, meine Anspannung abzuschütteln. Wirklich gelungen ist mir dies natürlich nie. Ich achtete stets auf die kleinsten Bewegungen um mich herum. Ich glaube, dass mein Blinzeldurchschnitt in der Zeit, in der ich “Amnesia” spielte, erschreckend niedrige Werte angenommen hatte. Das sorgte dann auch dafür, dass mir die den Bildschirm weiß färbenden Rückblenden richtig in den Augen weh taten und ich den Blick abwenden musste.
Was bleibt mir noch zu sagen? Meine Zeit mit “Amnesia” war wundervoll. Dass ich das nach meinen Gefühlen während des Spielens und den Albträumen schreibe, mag nun nicht für jeden nachvollziehbar sein, doch glaubt mir einfach: So schlimm sich das alles während des Spielens auch angefühlt haben mochte, so toll war es dann im Nachhinein zu merken, wie sehr einen Videospiele berühren können. Wenn man Angst vor dem Starten eines Spiel hat, dann macht es doch einiges richtig. Vor allem verzichtete “Amnesia” fast vollständig auf sogenannte “Jumpscares”, also diese billigen OH GOTT ALLES IST LAUT UND DA IST ETWAS DIREKT VOR DEINEM GESICHT Szenen. Ich kann mich nur an wenige erinnern und die waren gut platziert. Wenn man sie in Maßen einsetzt, bin ich der Letzte, der sich über Jumpscares beschwert.
Nun gut. Ich komme zum Ende. “Amnesia” war eine… ja… doch… traumhafte Erfahrung. Das Design der Umgebung ist umwerfend. Ich denke über einen zweiten Spieldurchlauf nach, nur um Screenshots zu machen. Die Musik? Wahnsinnig gut. Dass mein größter Kritikpunkt die abnehmende Spannung beim Auftauchen eines Monster ist, ist nun irgendwie ein sehr merkwürdiger Kritikpunkt, sollte aber erwähnt werden. Natürlich würde ich nicht auf die Monster verzichten wollen.
Ich freue mich auf “Amnesia: A machine for pigs”. Ich werde wieder in eine mysteriöse Welt eintauchen, mich von ihr in den Bann ziehen lassen und ihre Geheimnisse erforschen. “Amnesia: The dark descent” hat mein Interesse geweckt. Mehr Horrorspiele. Mehr Albträume. Nur dieses abartige Vieh aus diesem einen Albtraum kann mir gestohlen bleiben. Bitte.