Keep on Mining! – Zerhackte Eiersaurier

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Meine Frau und ich hatten vor ein paar Jahren die Tradition, uns diese merkwürdigen Steineier zum Geburtstag zu schenken, die man überall in Spielzeugabteilungen findet. Diese Eier bestehen aus Gips, Sand oder irgendeinem anderen Zerbröckelmistgestein und in ihrem Innern findet man meistens kleine Dinosaurierfiguren, Dinosaurierskelette oder vergleichbare Spielereien. Das Konzept klang immer total witzig: Auf Steinen rumkloppen und am Ende irgendein Spielzeug in der Hand halten? Da kann man doch nur gewinnen.

Oder?

Ich weiß gar nicht, ob einer von uns jemals eines dieser Eier bis zum Ende aufgeschlagen hat. Bei meinem ersten Ei verlor ich nach etwa einer halben Stunde die Geduld. Da der Kram für Kinder ist, sind die Werkzeuge natürlich alles andere als hochwertig, weshalb man mit Billigplastik auf hartem Material herumkratzt, um Fortschritte zu erzielen, die man eigentlich auch als Rückschritte bezeichnen könnte, wenn man die Verringerung der Eimasse mit der gleichzeitig eintretenden Verringerung der eigenen Hirnmasse ins Verhältnis setzt.

Ich kam jedenfalls nach etwa dreißig Minuten an einen Punkt, an dem ich noch immer kein Skelett gesehen hatte, dafür aber das Licht am Ende des Tunnels meines Lebens immer greller wurde. Ich hatte mich an einer zentral gelegenen Stelle des Eies bis zur Mitte vorgearbeitet und nichts vor Augen, das auch nur entfernt an ein Saurierskelett erinnerte. Erfüllt von Frustration beschloss ich, das Ei an dieser Stelle in zwei Teile zu zerbrechen, um mich von dort aus weiter in das Innere vorzuarbeiten.

Ich packte das Ei an seinen durch einen freigehackten Krater geteilten Hälften, bündelte meinen Frust, spannte die Muskeln an und zerbrach es. Nachdem ich mein Werk betrachtete und kurz davor war, vor meiner Frau mit meiner geballten Manneskraft anzugeben, die ich tatsächlich damit belegen wollte, dass ich ein Kinderspielzeug zerbrochen hatte, stellte ich fest, dass ich einen Fehler gemacht hatte.

Aus beiden Hälften ragte ein kleines, weißes Plastikteil heraus. Hätte ich mich eine Minute länger in Geduld geübt und weitergekratzt, wäre ich tatsächlich auf das begehrte Saurierskelett gestoßen. Stattdessen hatte ich es zerbrochen. Ich schrieb die Universität an, bei der ich mich auf ein Archäologiestudium beworben hatte, und zog meine Bewerbung zurück. In den Anhang der Mail packte ich ein Foto des zerbrochenen Eis und schrieb dazu: »Sie sehen ja selbst.« Ich habe seitdem nichts mehr von der Universität gehört.

Trotz dieses herben Rückschlags habe ich nie die Faszination daran verloren, mit Werkzeugen auf Dinge draufzuschlagen. In »Minecraft« kann ich beispielsweise stundenlang auf Steine kloppen, um Gänge zu bauen oder Höhlensysteme auszuheben. Auch in allen anderen »Crafting-Spielen« ziehe ich Freude daraus, mit einer Hacke durch die Welt zu streifen und alles zu zerhacken, das aussieht wie ein Stein. Wenn dann auch noch Ressourcen dabei herumkommen, mit denen ich bessere Hacken konstruieren kann, mit denen ich dann wiederum mehr und größere und buntere und wertvollere Steine in Gehacktes verwandeln kann, bin ich ein zufriedener Mensch, der Videospiele auf die gleiche Stufe wie die »Mona Lisa« stellt, die ich übrigens auch sehr gerne mal zerhacken würde, nur um zu sehen, wie empört dann alle Leute gucken. Und auf die Kunstkillerspiele-Diskussion hätte ich auch total Bock.

Ich denke, dass nun nachvollzogen werden kann, warum ein Videospiel mit dem Namen »Keep on Mining!« sofort meine Aufmerksamkeit erweckte. Spiele, in denen die Zahlen immer größer werden, gehören sowieso zu meinen Lieblingsspielen. Das Ganze jetzt auch noch mit Steinekloppen zu kombinieren, ist so genial, wie das Brettspiel »Monopoly« zu verbessern, indem man es in den Müll schmeißt.

Das Tollste an »Keep on Mining!« ist, dass mein Schreibprogramm total die Probleme mit dem Titel hat, da es immer, wenn ich diesen geschrieben habe, das nächste Wort großschreiben möchte, schließlich steht da ja ein Ausrufezeichen und danach wird eben verdammt noch mal großgeschrieben! Das sind die Dinge, die beim objektiven Videospielejournalismus immer ignoriert werden, bei mir aber den Unterschied zwischen einer 7/10 und einer 8/10 ausmachen. Spiele, die sogar mein Schreibprogramm an seine Grenzen bringen, können objektiv betrachtet gar nicht schlecht sein.

Am Ende des Tages kann man zu »Keep on Mining!« übrigens gar nicht viel sagen. Um den eigenen Mauszeiger herum ist ein Kreis. Alle Steine in diesem Kreis werden zerhackt. Die daraus gewonnenen Ressourcen investiert man, um das eigene Werkzeug zu verbessern oder das Steinvorkommen zu erhöhen. Und das wiederholt man, bis man alle Errungenschaften gesammelt hat oder man merkt, dass das Spiel komplett bescheuert ist, was an dieser Stelle aber positiv gemeint ist. Wie bei den Dinosauriereiern kann man hin und wieder kleine Artefakte in den Steinen finden, die passive Boni bringen, die aber am Ende des Tages auch nur dafür sorgen, dass die Zahlen ein kleines bisschen schneller größer werden.

Nach vier bis fünf Stunden wird man vermutlich alle Errungenschaften erhalten haben. Dann kann man das Spiel eigentlich beenden. »Keep on Mining!« ist, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, kein klassisches Idle-Game. Man muss nämlich den Mauszeiger bewegen. Es gibt zwar eine kleine Nebenbei-Idle-Mechanik, aber diese benötigt man eigentlich gar nicht, um weiterzukommen. Zumal sie anfangs so wenig Ressourcen abwirft, dass es sich nicht wirklich lohnt, das Spiel nebenbei laufen zu lassen. Vor allem nicht bei der relativ kurzen Spielzeit.

Das Spiel ist vom gleichen Entwickler, der unter anderem »Coin Flipper« und »Treasure Chest Clicker« programmiert hat. Wenn euch diese Spiele nichts sagen, dann tut mir das leid, aber selbstverständlich sollte man nicht davon ausgehen, dass alle Menschen da draußen Ahnung von Videospielen haben. Manche sehen Videospiele eben nur als Hobby an und nicht als Kunst und spielen darum einfach nur nebenbei stundenlang all die Spiele, die in den Medien gehyped werden. Das ist im Grunde wie mit gutem Wein. Die einen kaufen ihn günstig im Supermarkt und die anderen fahren noch selbst in die Weinberge, pflücken Weintrauben, zerstampfen sie mit ihren nackten Füßen und blasen dann am Ende des Tages aus dem getrockneten Traubenbrei riesige Weinflaschen. Ich habe übrigens keine Ahnung von Wein und wie er gemacht wird. Ich trinke keinen Wein, weil ich dem Kommerz in egal welcher Form vollständig entsage, mich von Marketing nicht beeinflussen lasse und darum Leitungswasser trinke. Das ist schließlich umsonst, wenn man die Rechnungen der Wasserwerke Monat für Monat ignoriert, bis die Polizei kommt.

Jedenfalls ist »Keep on Mining!« gar nicht darauf ausgelegt, dass man es hunderte Stunden lang spielt. Es ist ein relativ kurzes, dafür aber äußerst effektives Videospiel, in dem man Steine zerkloppt, damit die Zahlen größer werden. Es will auch gar nicht mehr sein, weshalb der Entwickler immer wieder erklären muss, dass er das Spiel extra so programmiert hat, dass es einen nicht vierhundert Jahre lang beschäftigen kann. Natürlich gibt es jetzt trotzdem Leute, die »MEHR CONTENT« fordern, aber mal ehrlich, wer das macht, fragt sich gleichzeitig, wann endlich jemand den Rest der Landschaft hinter der »Mona Lisa« zeichnet, schließlich benötigt das eigene Auge »MEHR CONTENT« und außerdem, hier müssen wir ehrlich sein, ist die »Mona Lisa« im Vergleich zu anderen Bildern erschreckend klein.

Vielleicht gibt es in den nächsten Tagen oder Wochen ja Updates, die die Spielzeit in die Länge ziehen. Keine Ahnung, warum man das bei einem so intensiven Spiel wie »Keep on Mining!« haben will, aber wer bin ich schon, den Leuten vorzuschreiben, was sie fordern sollen und was nicht.

Ich hoffe jedenfalls, irgendwann ein Spielzeugzerhackeei kaufen zu können, in dem sich ein »Mona Lisa«-Bausatz befindet. Mit Zusatzinhalten wie ihren Füßen. Aus irgendeinem Grund stehen ja aktuell alle auf Füße. Habe ich noch nie verstanden. Aber ich trinke schließlich auch keinen Wein. Stattdessen spiele ich lieber Spiele, in denen die Zahlen größer werden, und »Keep on Mining!« ist ein gutes Spiel in diesem Genre.

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