Vor ein paar Tagen spazierte ich durch Bad Vilbel und ging einer meiner Lieblingsbeschäftigungen nach: Bauzäune anstarren. Grundsätzlich sind Bauzäune selbstverständlich nichts, was angestarrt werden sollte, wenn man sie als das nimmt, was sie sind: Bauzäune. Ich dagegen sehe Bauzäune als etwas anderes an. Als Medium. Bauzäune sind ein Quell der fantastischen, lokalen Werbeplakate. Wenn man wissen will, was gerade so in der eigenen Stadt abgeht, muss man einfach nur zur nächsten Baustelle rennen und die dortigen Bauzäune anstarren. So bekommt man schnell die wichtigsten Orte mit, die man meiden sollte, wenn man sich als Connaisseur der hochnäsigen Künste ansieht.

Zum Glück sehe ich mich nicht als einen solchen an. Ich habe schließlich Germanistik studiert und somit von Kunsttuten und Kunstblasen keine Ahnung. Ich mag einfach nur Worte und Wörter und kann euch deswegen nur schwer erklären, wie glücklich ich war, als ich auf folgendes Highlight der Plakatkunst stieß:

Dinosaurier! Dinosaurier sind immer toll. Immer! Außer natürlich in der ausgeschlachteten “Jurassic Park”- und “Jurassic World”-Reihe, die nun wirklich niemand benötigt. Aber davon mal abgesehen habe ich nichts gegen ein Stelldichein wissenschaftlich belegter Dinosaurierklischees. Und wenn es sich bei dieser “Dino Expo” auch noch um ein “Highlight aus den USA!” handelt, kann ich als internationaler Kunstdinokenner nicht mehr daran vorbeisehen.

Zunächst hatte ich mir vorgenommen, auf gängigen Stockfotoseiten alle Dinosaurier zu suchen, die auf diesem Plakat zu finden sind, sah dann jedoch davon ab, da das Arbeit gemacht hätte. Außerdem war ich viel zu sehr damit beschäftigt, mir “100% bewegliche Dinosaurier” vorzustellen. Sind jetzt alle anwesenden Dinos nur ein wenig beweglich oder gibt es Dinos, die tatsächlich zu 100% beweglich sind? Letzteres erinnerte mich an meine Jugend, als noch von einem “100% beweglichen spa” die Rede sein konnte, und stimmte mich ein wenig traurig, weshalb ich den Gedanken sofort wieder beiseite schob. Vermutlich ist an jedem ausgestellten Vieh irgendein Teil beweglich, wodurch man auch auf 100% kommt. Mathematik kann manchmal sehr langweilig und enttäuschend sein.

Dafür gibt es “Dinos bis zu 10 Meter!”. Ich hoffe, dass es sich hierbei nicht um die Größenangabe der Ausstellungsfläche handelt. Wobei ich auch nichts gegen einen Dinosaurierflohzirkus einzuwenden hätte. Wenn schon die Leute verarschen, dann bitte richtig. Gut, vermutlich wäre “Dinos bis zum Abwinken” dem T-Rex gegenüber unfair gewesen, da dieser mit seinen kurzen Ärmchen nur selten dem Winkevergnügen nachgehen konnte, beziehungsweise der Prozess des Winkens von den meisten Wesen nicht wahrgenommen wurde, schließlich guckt man einem T-Rex in der Regel aus Höflichkeit nicht auf die Arme. Manche sind da relativ empfindlich.

Letztendlich ist das alles aber auch egal, schließlich geht es hier nicht um kurze Arme und gescheiterte Winkchoreografien, sondern um den Bildungsauftrag, dem man in Deutschland gefälligst nachzukommen hat, wenn man nicht vom Feuilleton in Grund und Boden gestampft werden möchte. Und diesem Auftrag kommt die Dino Expo jedenfalls nach. “Pädagogisch wertvoll!”, “Lehrreich – Spannend – Atemberaubend”, “Infotainment”. Was soll man sagen? Alleine durch das Lesen des Plakates hat mein IQ um einen relevanten Teil zugenommen.

Stolz verließ ich das Bauzaunparadies der Bad Vilbeler Innenstadt und grinste breit ob der Vorstellung der gebildeten Jugend, die mit Monokeln bestückt über die Expo schlendert und dabei bis zu 10 Meter Dinos anguckt.

An der nächsten Straßenlaterne blieb ich dann jedoch stehen, während meine Welt der Hochintelligenz über mir zusammenstürzte und meinen IQ unter sich begrub.

Ein neues Plakat präsentierte sich mir.

Die Dino Expo heißt jetzt also Dinosaurierland. Das ist verwirrendes Branding, aber fast genauso uninteressant wie das entfernte Ausrufezeichen hinter “USA”. Dass der Untertitel “Ein Land vor unserer Zeit” an den Film “In einem Land vor unserer Zeit” erinnert, ist auch nicht tragisch. Viel schlimmer ist der folgende Abschnitt:

Die lehrreiche Dinosaurier Ausstellung

100% beweglicher Dinosauriern

Wo fange ich an?

Dass “Dinosaurier Ausstellung” nicht “Dinosaurierausstellung” oder wenigstens “Dinosaurier-Ausstellung” geschrieben wurde, verzeihe ich den Plakateleuten. Irgendwo kann ich es ja verstehen. Der zweite Satz dagegen?

“100% beweglicher Dinosauriern” ergibt in egal welcher Konstellation keinen Sinn. Soll es einzeln und für sich stehen, müsste es “100% bewegliche Dinosaurier” heißen. Ganz einfach. In Kombination mit dem Satz darüber gibt es dagegen zwei Varianten:

“Die lehrreiche Dinosaurier Ausstellung mit 100% beweglichen Dinosauriern” wäre die eine Möglichkeit, diesen Satz zu retten. Wir ergänzen ein “mit” und machen aus dem “beweglicher” ein “beweglichen”. Fertig.

“Die lehrreiche Dinosaurier Ausstellung 100% beweglicher Dinosaurier” dagegen wäre die Variante mit den wenigsten Änderungen, da wir hier einfach das “n” am Ende von “Dinosauriern” entfernen müssen. Sicherlich die eleganteste Lösung, gleichzeitig muss man anschließend den Menschen, die es zu genau nehmen, leider erklären, ob man auf der Ausstellung nun 100% bewegliche Dinosaurier ausstellt oder ob die Ausstellung von 100% beweglichen Dinosauriern organisiert wurde und man somit überhaupt nicht weiß, was einen erwartet. Wie auf der Ausstellung “Die unangenehme Ausstellung 100% unbegabter und von sich selbst überzeugter und von den Eltern stets gelobter Kleinkinder”.

Komplett verwirrt ließ ich die Laterne hinter mir und beschloss, nicht mehr über die Ausstellung nachzudenken, da ich meinen Wortschatz nicht ruinieren wollte. Jedoch ist so etwas immer leichter gesagt als getan. Vor allem, wenn man an einem Stromkasten vorbeikommt, an dem einen dieses kleine Plakat angrinst.

Auf den ersten Blick sehen wir hier nichts Besonderes. Auf den zweiten Blick fällt aber der Satz ganz unten auf dem Plakat auf:

“Eine lehrreiche Ausstellung für die ganze Familie mit 100% vollbeweglichen Dinosauriern”

AHA! So wird ein Dinoschuh draus! Es geht also doch! “Mit 100% vollbeweglichen Dinosauriern” ist eine der Varianten, die ich weiter oben vorgeschlagen hatte. Zwar sind die Saurier jetzt nicht mehr nur beweglich, sondern vollbeweglich, jedoch handelt es sich hierbei um Marketing, weshalb nicht über die Inhalte diskutiert werden sollte, schließlich kann man nicht über etwas diskutieren, was es nicht gibt. Und bevor jetzt wieder die ganzen Philosoph*innen ihre Finger in den Himmel recken, um diese Aussage auseinander zu nehmen, möchte ich darauf hinweisen, dass dies bei den aktuellen Witterungsbedingungen sehr riskant ist und unterlassen werden sollte, nicht dass ihr einen Sonnenbrand auf der Zeigefingerkuppe bekommt.

Man kann schon sagen, dass ich in diesem Moment ein ganz kleines bisschen zufriedengestellt war. Man war also nicht vollkommen unfähig. Vielleicht hatte man hier nur einfach nicht aufgepasst, als man Wörter kopiert und eingefügt hat. Dann stieß ich jedoch auf einen Satz, den ich auf den zuvor besprochenen Plakaten tatsächlich übersehen hatte. Sehen wir uns doch einmal den Werbetext unter dem Plakat an, genauer den kleinen Teil über “BAD VILBEL”:

“Wegen großer Nachfrage und riesen Erfolg in Hamburg, jetzt auch in”

“Wegen riesen Erfolg in Hamburg”

Es gibt kein “riesen”. Es gibt beispielsweise das adjektiv “riesig”, wodurch man hier “wegen des riesigen Erfolgs” hätte schreiben können. Aber “riesen”? Nein. Man kann das Wort “riesen” natürlich vor andere Wörter hängen. Beispielsweise “Riesenerfolg”. “Wegen des Riesenerfolgs in Hamburg” wäre beispielsweise eine korrekte Lösung des Problems gewesen.

Jedenfalls hatte ich die Hoffnung dann doch verloren und ging zurück zum Bahnhof, um von dort aus die Heimreise zu beginnen. Wie es sich für einen richtigen Bahnhof gehört, standen auch hier überall Bauzäune herum. Und NATÜRLICH ließ man mich auch hier nicht in Ruhe.

Da war es wieder: “100% beweglicher Dinosauriern”.

Ich seufzte. Ich hatte keine Lust mehr. Ich wollte nicht mehr hinsehen. Ich wollte nicht mehr wissen, wer die Frau ist, die da so verzweifelt auf dem Stein sitzt. War es eine Mitstudentin? Oder gar eine meiner Dozentinnen?

Wen ich dagegen sofort erkannte, war der Affe aus dem Film “Rampage”.

Ich kann mir Riesenaffen einfach besser merken als Menschen.

Warum jetzt auf einmal ein Riesenaffe auf dem Plakat der Dino Expo zu sehen ist? Tja.

Und ja, natürlich habe ich den blauen Raptor aus “Jurassic World” auf dem dritten Plakat erkannt.

Quelle: https://www.pinterest.de/pin/739997782501367893/

Aber ich WOLLTE doch nicht die Bilder suchen, die auf den Plakaten verwendet wurden.

Stattdessen möchte ich jetzt zu einem Ende kommen. Ich kann nicht mehr. Ich hoffe, dass ich mit diesem Text klarmachen konnte, warum man hin und wieder jemanden dafür bezahlen sollte, sich einfach nur 15 Minuten lang die Texte auf einem Plakat durchzulesen, um diese zu korrigieren.

Hahaha.

Wem mache ich hier etwas vor?

100% absoluten Unsinne.