Geständnisse: Confessions

Als Schüler war ich selten gerne in der Schule. Mit meinen Lehrer*innen habe ich mich genauso selten angefreundet. Mit den meisten habe ich mich gut verstanden. Mehr nicht. Mein recht gutes Verhältnis zu Lehrer*innen resultiere vor allem daraus, dass ich ihre Kinder nicht getötet habe. Ein klarer Pluspunkt, den ich nach »Geständnisse« nur an jede*n weitergeben kann: Tötet nicht die Kinder eurer Lehrer*innen! Tut ihr es doch, könnte dies negative Konsequenzen mit sich bringen.

Achtung: Dies ist eine Rezension. In der Regel beschreibe ich in diesen Teile der Handlung und rede vielleicht sogar über das Ende. Dies ist keine Kaufempfehlung oder -abratung. Dies ist meine Meinung. Wer nicht zu viel über den besprochenen Film lesen möchte, sollte an dieser Stelle seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwenden.

Die ersten Minuten von »Geständnisse« haben mich direkt umgehauen. Eine Lehrerin spricht am letzten Schultag zu ihren Schüler*innen und niemand hört zu. Klar, das ist jetzt noch keine Besonderheit oder umhauenswert. Wer erinnert sich nicht an die alle dreißig Sekunden stattfindenden Blicke auf die Armbanduhr, bis endlich die Ferien eingeläutet wurden? Es war der Horror. Zugehört hat in dieser Zeit niemand. Diese Aufbruchsstimmung fängt »Geständnisse« vorbildlich ein. Als Zuschauer*in fällt es zu Beginn wirklich schwer, den Aussagen der Lehrerin zu folgen. Die Klasse ist zu laut. Alle reden durcheinander. Die Lehrerin klingt teilnahmslos, als würde sie Unterrichtsstoff monoton herunterbeten. Wer erzählt jetzt etwas für den Film Relevantes? Was soll das alles überhaupt? Die Szene wirkt unfokussiert, bis sich dies mit der Zeit ändert. Schleichend. Man merkt zunächst gar nicht, dass man vom Film in genau die Richtung gelenkt wird, in der er uns haben möchte. Es geht uns genauso wie den Schüler*innen. Nach und nach hören sie zu. Wenn plötzlich das Thema auf die ertrunkene Tochter der Lehrerin gelenkt wird. Sie wie beiläufig erzählt, dass der Tod der Tochter kein Unfall, sondern Mord war. Und dann, als alle zuhören, explodiert die Bombe: Die beiden Mörder sitzen in diesem Moment zwischen den Jugendlichen in der Klasse. Die Lehrerin nennt sogar ihre Namen.

Wir erfahren außerdem, dass Jugendliche in Japan bis zu einem gewissen Alter nicht für Straftaten belangt werden können. Als Lehrerin muss man sich da eben anderweitig zu helfen wissen. Wer nun an Nachsitzen und Strafarbeiten denkt, hat sich getäuscht. Die Lehrerin in »Geständnisse« greift zu härteren Kalibern und erzählt erst einmal allen, dass sie die zwei Jungs mit Aids angesteckt habe. Was nun folgt, ist ein Sammelsurium aus Unaufgeklärtheit, Mitläufertum, Mobbing, Hass, Gewalt, Angst, Tratsch und natürlich: Rache.

Verpackt werden all diese Themen in mehrere Perspektivwechsel, die das Geschehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten und den Zuschauer*innen zeigen, dass zwar alles im Leben aus Grauzonen besteht, diese aber auch mal deutlich im weißen oder schwarzen Bereich liegen können. Man weiß nie, auf wessen Seite man sich schlagen soll. Die Taten der Lehrerin sind zunächst natürlich nachvollziehbar, gleichzeitig aber auch ganz und gar überhaupt nicht. Die angeklagten Schüler kann selbstverständlich niemand in Schutz nehmen, doch lernt man immer mehr über sie und somit auch über die Gründe, die sie zu ihren Taten geführt haben. Wer trägt für all das die Verantwortung? Wer kann das schon sagen? In diesem Film geht es nicht um die Schuldfrage. Es wird ganz klar erklärt, wer was getan hat. »Geständnisse« ist kein Krimi. »Geständnisse« ist die Rache in Person einer Lehrerin. Wie weit kann eine Lehrerin von Rache getrieben werden? Wie geht eine Klasse mit den Informationen um, die sie soeben erhalten hat? Und wie reagieren die Angehörigen?

»Geständnisse« ließ mich mit einem mulmigen Gefühl zurück. Natürlich musste ich nach dem finalen »Dies war nur der erste Schritt meiner Rache!« der Lehrerin zunächst lachen. Das war erst der erste Schritt? Funkt da etwa Mitleid mit dem Kindermörder auf? Keine Sorge. Nur ein wenig. Und nur ganz kurz. Die Lehrerin löst die Aussage kurz darauf selbst als Witz auf. Hat der Junge all das verdient? Das spielt gar keine Rolle. Ein Mensch zerstört aus Rache das Leben der Menschen, die sein Leben zerstört haben. Das ist »Geständnisse«. Und so düster, unangenehm und brutal »Geständnisse« auch sein mag, genauso gut hat er mir gefallen. Weil er weiß, was er will. Weil man zwischen all den Perspektivwechseln hin und wieder für einen kurzen Moment die Rache der Lehrerin vergisst, nur um dann am Ende festzustellen, wie unvorstellbar durchgeplant sie diese vollzogen hat.

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