Das Restaurant am Ende des Universums (Douglas Adams)

Wie geht man vor, wenn man eines der besten Bücher aller Zeiten geschrieben und beschlossen hat, einen Nachfolger anzufertigen? Wie toppt man einen Text, der nicht mehr zu toppen ist? Die Antwort ist ganz einfach: indem man es gar nicht erst versucht. Indem man einen anderen Ansatz wählt. Indem man damit beginnt, geordnetes Chaos ins ungeordnete Chaos zu bringen.

In »Per Anhalter durch die Galaxis« wurde eine Welt vorgestellt, die chaotischer nicht sein kann. In einem unendlich großen Universum ist nichts von Bedeutung und man kann nichts anderes tun, als sich darin treiben zu lassen. Das musste der von der Erde abstammende Protagonist Arthur Dent erst einmal lernen. Und das mussten auch wir, die ebenfalls von der Erde abstammenden Leser*innen, begreifen. Das Abholzen eines Waldes, um an dessen Stelle eine Fabrik zu bauen, ist in einem unendlich großen Universum vergleichbar mit der Sprengung eines Planeten, um eine interstellare Umgehungsstraße zu bauen. Das Eine ist lediglich ein etwas größeres Getöse als das Andere. Aber was ist schon Größe im Vergleich zum Unendlichen? Bedeutungslos.

Nachdem wir uns also ein Buch lang mit der Größe dieses wirklich sehr großen Universums anfreunden konnten, wird in »Das Restaurant am Ende des Universums« ein weiteres, großes Gebiet abgehakt, mit dem sich heutige Erdwissenschaftler aller möglichen Bereiche nur zu gerne beschäftigen: Zeit. Um es kurz zu machen: Auch Zeit spielt in einem unendlich großen Universum keine Rolle. Wenn man seinem Raumschiffnavigationsgerät sagt, man wolle bitte zum nächstgelegenen Restaurant gebracht werden, ergibt es sehr viel Sinn, dass das Raumschiff diesen Wunsch wörtlich nimmt und sich nicht räumlich, sondern zeitlich bewegt, um die Besatzung in das Restaurant zu bringen, das irgendwann einmal an genau dieser Stelle gebaut werden wird. Auch, wenn das bedeutet, dass das Raumschiff mehrere Millionen Jahre in die Zukunft springt. Was ist schon Zeit? Zeit ist nicht relevant. Nichts ist relevant. Alles ist bedeutungslos.

Wird in manchen Büchern aus einem einzigen Zeitsprung ein riesiges Tohuwabohu gemacht, wird in »Das Restaurant am Ende des Universums« nach einer gewissen Zeit nur noch beiläufig darüber geredet. Warum auch nicht? Es ist doch sowieso schon alles so groß und darum auch so chaotisch. Warum sollte in diesem Chaos das »Wann« eine bedeutendere Rolle spielen als das »Wo«? Wieder einmal gelingt es Douglas Adams, aus einer großen Sache mit Hilfe eines mittleren Schulterzuckens eine kleine Sache zu machen. Für die Hinterfragenden werden ab und zu kleinere Passagen aus dem allumfassenden Lexikon »Per Anhalter durch die Galaxis« eingeworfen, die in ihrer Absurdität die absurde Logik dieses Universums unanfechtbar machen.

Douglas Adams versucht zum Glück nicht, den ersten Band der Reihe mit doppelt so vielen Ideen zu übertrumpfen. Stattdessen lehnt er sich ein wenig zurück und lässt die zuvor gesammelten Eindrücke sacken und zur Ruhe kommen. Es wurde etabliert, in was für einer Welt wir uns lesend fortbewegen. Das umfangreiche und an vielen Orten sogar anerkannte Nachschlagewerk »Per Anhalter durch die Galaxis« hat uns das alles lang und breit erklärt. Alles ist möglich. Und alles kann passieren. Zuckt einfach mit den Schultern, findet euch damit ab und macht das Beste draus. Darum lässt Adams seine Enzyklopädie auch weitestgehend schweigen. Es wird nicht mehr Zitat um Zitat zitiert. Stattdessen greift er nur noch in den Momenten zum Lexikon, in denen es den Leser*innen etwas nützt. Oder auch nicht. Das kann man bei dem Nachschlagewerk aller Nachschlagewerk natürlich letztendlich nie genau wissen. Das klingt jetzt wieder einmal sehr widersprüchlich. Aber ihr wisst sicher, wie ich das meine. Und wenn nicht, dann ist das nicht schlimm, weil das Universum viel zu groß ist, um alles darin zu verstehen.

In »Das Restaurant am Ende des Universums« geht es zudem nicht mehr hauptsächlich um das Universum an sich und wie es nicht wirklich funktioniert. Es geht um die Personen, die darin leben. Unsere etablierte Gruppe bestehend aus Arthur, Ford, Zaphod, Trillian und Marvin wird immer wieder von einander getrennt und zusammengebracht. Im Mittelpunkt steht diesmal in weiten Teilen eine Reise voller Selbstfindung. Jeder lernt etwas dazu. Und auch wir lernen etwas über jeden.

Allen voran steht Zaphod Beeblebrox, der einen großen Teil des Buches damit zubringt, endlich zu verstehen, was in seinem Kopf los ist. Immer wieder wird er von seinen eigenen Gedanken aufgefordert, irgendetwas zu tun. Diese Aufforderungen wirken wahllos. Er weiß nicht, woher sie kommen. Aber er gibt sich ihnen hin. Es ist, als würde er seinem Instinkt hinterherlaufen. Oder seinem Bauchgefühl. Je nachdem, was er gerade gegessen hat. Oder ob er gegessen hat. Es geht wirklich sehr häufig in diesem Buch ums Essen. Jedenfalls gewöhnt sich Zaphod die Frage nach dem »Warum« ab. Sein Kopf, oder besser: Seine Köpfe halten es eben für richtig, so zu handeln, wie es seine innere Stimme von ihm verlangt. Sie wird sich schon etwas dabei gedacht haben. Und wenn nicht? Was soll´s.

Dieses Verhalten macht Zaphod Beeblebrox zu dem herausragenden Charakter in »Das Restaurant am Ende des Universums«. Er ist nicht unbedingt sympathisch, aber er lässt das Leben auf sich zukommen. Er findet Dinge über sich selbst heraus, die andere vielleicht in Panik versetzen würden, und nimmt sie hin. Ist halt so. Muss ich mich mit abfinden. Da wird sich schon jemand etwas bei gedacht haben. Und wenn nicht, kann man es auch nicht ändern. Weiter im Text. Die Leichtigkeit, die Douglas Adams in seinen Texten versprüht, findet sich hier, in diesem zweiköpfigen und dreiarmigen Präsidenten der ganzen verdammten Galaxis wieder, der vermutlich zu den Wesen in dieser ganzen verdammten Galaxis zählt, die in Wirklichkeit am wenigsten Macht über die Dinge haben, die darin geschehen.

Auch darum geht es in »Das Restaurant am Ende des Universums«. Um Macht. Kann ein einziges Wesen das Universum regieren? Kann ein Wesen, das nichts mehr will, als alles zu regieren, wirklich alles regieren? Und wenn ja: Sollte es das dürfen? Als Zaphod Beeblebrox die Antwort auf diese Fragen findet, kommt es zur besten Szene im ganzen Buch. Eine Szene, die fast nebenbei abläuft. Auf die Douglas Adams so wenig Aufmerksamkeit lenkt, dass sie dadurch nur noch besser wird. Zaphod wendet diesem mächtigen Wesen ganz entspannt den Rücken zu und lässt es alleine. Weil dieses Wesen, was auch immer es sein mag, das perfekte Wesen darstellt, das ein Universum regieren kann. »Ich glaube, das Universum ist wirklich in guten Händen, was?«, fragt er Trillian am Ende, die seine Frage lediglich mit einem »In sehr guten.« beantwortet. So endet Zaphods Reise. Mit der Gewissheit, dass alles schon irgendwie in Ordnung ist. Muss er seiner inneren Stimme folgen? Nein. Aber hin und wieder geht es dadurch schon echt fetzig zur Sache.

Beinahe wünscht man sich, auch so zu sein wie Zaphod Beeblebrox. Nicht immer alles hinterfragen. Nicht über jede noch so kleine Entscheidung nachdenken. Einfach mal dem Bauchgefühl folgen, die daraufhin gefundene Pizzaria betreten und schauen, was es dort zu essen gibt. Und hoffen, dass es nicht vergiftet ist. Und wenn es dann am Ende doch vergiftet war? Dann hat es eben nicht anders sollen sein. Dafür gab es Pizza, man ist satt gestorben und hat etwas erlebt.

Letztendlich passiert unglaublich viel in »Das Restaurant am Ende des Universums«. Meiner Meinung nach sogar mehr als in »Per Anhalter durch die Galaxis«. Unsere Truppe kommt viel rum. Selbstverständlich wird auch das titelgebende Restaurant besucht. Genauso wie das Redaktionsgebäude des größten Nachschlagewerkes in der Geschichte des Universums. Trotzdem haben wir es diesmal mit einer vergleichsweise ruhig erzählten Geschichte zu tun, an die man sich nach dem Feuerwerk der Unterbrechungen und Informationen des Vorgängers fast schon gewöhnen muss. Aber nicht in einem schlechten Sinne. »Das Restaurant am Ende des Universums« ist ein anderes Buch als »Per Anhalter durch die Galaxis«. Und das macht es zu einem guten Buch.

Es zeigt, dass Douglas Adams mehr kann, als sich wirre Ideen auszudenken und sie wild zwischen Buchseiten zu schmeißen, bis am Ende eine Geschichte dabei herauskommt. Wer mir jetzt unterstellen möchte, mit dieser Aussage den ersten Band der Reihe schlecht zu reden, liegt natürlich falsch. Der zweite Band hätte aber schnell so enden können. Mehr Ideen, mehr Lexikonartikel, mehr Einschübe, mehr, mehr, mehr. Aber so kam es nicht. Was mich wieder zu der Leichtigkeit bringt, die ich an Adams so bewundere. Die Geschichte rund um den Anhalter weiterzuspinnen, kann keine leichte Aufgabe gewesen sein. Darum muss es Adams auch so verdammt gutgetan haben, dieses verdammte Nachschlagewerk am Ende von »Das Restaurant am Ende des Universums« von Arthur Dent in einen Fluss schmeißen zu lassen. Warum Arthur das getan hat? Zitat: »Ich hab´s heute abend in den Fluß geworfen. Ich glaube, ich brauche es nicht mehr.« Da ist sie wieder. Diese Beiläufigkeit. Das Schulterzucken. Diese Leichtigkeit.

Es ist geglückt. Band eins hat einen Nachfolger gefunden, der ihm würdig ist.

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